Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
er. Er ist weg. Tut mir leid, Maggie.«
Als ich die Taxivermittlung anrief, hieß es dort, dass ich aufgrund des heftigen Regens noch mit dreißig Minuten Wartezeit rechnen müsse. Sie hatten bisher noch niemanden schicken können.
Kapitel 19
Am Mittwoch regnete es von morgens bis abends. Ich schlief schlecht. Irgendwie stahlen sich dauernd Regenschauer und riesige, fleischfressende Blüten in meine Träume. Dazu noch Inspektor Fox, der mich ausschimpfte. Dass ich am Vormittag am Skript zu Jetzt ist Schluss arbeitete, verbesserte meine Laune auch nicht gerade. Ich starrte durch das Fenster meines winzigen Büros nach draußen in die Regenböen und verachtete mich selbst. Wie gerne wäre ich jetzt doch an den sandigen Stränden Cornwalls gewesen! Zum hundertsten Mal in dieser Woche überlegte ich, ob ich nicht stracks in Charlies Büro marschieren und kündigen sollte - ungeachtet der Folgen. Doch Charlie war heute in Paris, und so wurde nichts aus meinem Vorhaben.
Etwa um elf Uhr holte ich mir Kaffee. Auf dem Weg zur Kaffeemaschine musste ich an Josephs Schreibtisch vorbei. Er schaukelte auf seinem Stuhl auf und ab und sprach laut mit jemandem am Telefon. Ich stand hinter ihm, und so bemerkte er mich nicht. »Ja, allen Ernstes. Ich bin der Regisseur. Wir brauchen ein Paar Kopfhörer von Bose. Ja, das ist richtig. Ja … und die Sony. Fantastisch. Ich kann Ihnen einen Fahrradkurier schicken, wenn Ihnen das weiterhilft.«
Ich legte meine Hand auf seine Schulter, und er wäre fast mit dem Stuhl umgekippt, so erschrocken war er.
»Ich würde gerne mit Ihnen sprechen, Joseph.«
Seine Miene hätte kaum noch mürrischer sein können, als er mein Büro betrat. »Was gibt’s?«
»Was soll denn das heißen?« Ich runzelte die Stirn. »Mit wem haben Sie da gerade telefoniert?«
Er zuckte mit den Schultern. »Mit irgendjemandem. Über ein paar Requisiten.«
»Und was wären das für Requisiten?«
Joseph sah mich mit seinen wässrigen grauen Augen an.
»Sie haben gelogen, nicht wahr?«
Er scharrte mit dem Fuß über den Nylonteppich.
Ich seufzte müde. »Joseph, das ist wirklich der älteste Trick der Welt. Jeder versucht es. Es ist schon in Ordnung, wenn es um Konzertkarten geht oder um den Eintritt in einen bestimmten Club. Aber denken Sie doch mal fünf Minuten nach. Sie können nicht wirklich glauben, dass Sie sich so teures Zeug erschwindeln können. Und erzählen Sie bitte niemandem, dass Sie als Fernsehregisseur arbeiten, wenn Sie nicht völlig von Sinnen sind. Auf diese Weise fliegen Sie doch am schnellsten auf.«
Er sah mich düster an. Ich spürte regelrecht, wie seine Haltung mir gegenüber sich veränderte, wie seine Katzbuckelei in Abneigung umschlug.
Mittags verspeiste ich an meinem Schreibtisch ein Käsesandwich und ignorierte Josephs wütende Blicke. Ich las einen Artikel in der Ausgabe des Guardian vom Vortag. Es ging um Kinderarbeit in Indien, was mich den Tränen nahe brachte. Voller Schuldgefühle wurde mir klar, wie teuer das T-Shirt war, das ich trug. Verächtlich schob ich das Skript zur Trennungs-Show von mir weg, während mich immer noch die Augen eines kleinen indischen Jungen verfolgten, der in einem Sweatshop in Kalkutta vierzehn Stunden pro Tag arbeitete. Ich dachte darüber nach, ob wir vielleicht psychologische Hilfe für Darren aus Wembley besorgen sollten. Vielleicht würde es ihm ja nicht so gut gehen, nachdem Sandra ihn live vor den Augen der Nation abserviert hatte, weil er nie das Klo putzte. Wenn man allerdings bedachte, dass Darren hinter Sandras Rücken dreimal mit ihrer Schwester geschlafen hatte, war Darren vielleicht doch härter im Nehmen, als ich dachte, und würde den ganzen Trubel ohne Probleme überleben. Mir wurde trotzdem schlecht von diesen Geschichten.
Ich warf die Reste meines Mittagsmahls in den Mülleimer. Dann stellte ich fest, dass ich es dieses Mal ganze fünf Minuten geschafft hatte, nicht auf mein Telefon zu starren. Ich gab mir die größte Mühe, den Eindruck zu erwecken, als würde ich nicht auf Sebs Anruf warten und als würde es mir nicht das Geringste ausmachen, dass er sich bisher nicht gemeldet hatte. Die Frage, ob ich diese blöde Show machen würde, trieb mich noch mal in den Wahnsinn. Schließlich rief ich Naz an. Ich hatte gehört, dass die Dokumentarsendung Dispatches eine Folge über Kindererziehung machen wollte und dass sie dort Leute suchten. Sie versprach mir, sich zu erkundigen.
Doch der schreckliche Nachmittag war noch
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