Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
nicht einfach ablassen von etwas, das sich so richtig anfühlte. Etwas, das ich noch nie zuvor empfunden hatte und auf das ich gewartet hatte, seit meine Mutter nicht mehr da war.
    Alex brachte mir nie Blumen oder lud mich in schicke Restaurants ein. Er war nicht der Mann für große Gesten (obwohl er den Tortenshop nebenan gerne mochte). Alex war einfach er selbst, chaotisch, ein Meister im Kalauern, aber auch jemand, der an einer einmal gefassten Meinung zäh festhielt. Aber bei Gott, ich wusste, dass er mich liebte. Er hielt mich in den Armen und sah mich an, seine schlaftrunkenen Augen einmal stetig und unwandelbar. Und ich sah ihn an. Wir waren wie Kinder, die etwas Neues, ungeheuer Aufregendes entdecken. Wir konnten einfach nicht genug kriegen voneinander. Eine Zeit lang verschmolzen wir regelrecht miteinander. Wir klammerten uns an den anderen wie an ein Rettungsboot. Als hätten wir endlich den Weg nach Hause gefunden. Und Alex lullte mich ein … denn er suchte eine Gefährtin für seine Selbstzerstörung, nur merkte ich das zu Anfang nicht.
    Einen Monat, nachdem wir uns kennengelernt hatten, nahm ich Alex mit nach Pendarlin. Diese Woche war die schönste Zeit meines Lebens. Ich war so unendlich glücklich, so voller Liebe und Freude, dass ich mich fühlte wie eine Riesin, die Bäume ausriss. Einfach unbesiegbar. Ich saß am Fenster im ersten Stock und genoss die warme Frühlingssonne, die durch die alten Glasfenster fiel. Ich war durch und durch glücklich. Ich sah Alex, wie er mit seinem treuen Freund Digby über den erbsengrünen Rasen schritt und Holz für das Kaminfeuer brachte. Alex winkte mir zu, und Digby bellte glücklich zwischen den cremegelben Narzissen. Ich lief die schiefen Treppen hinunter und stürzte mich auf Alex, wie es sein geliebter Hund tat. Ich hatte nicht gewusst, dass man sich so fühlen konnte.
    Das einzige Problem an dieser Art von Hochgefühl ist, dass es irgendwann aufhört. Und es ist schmerzhaft, aus dem siebten Himmel den langen Weg hinunter auf den Boden der Tatsachen anzutreten.
    Anfangs sah Alex mich wohl als so etwas wie seinen rettenden Engel … was ich ja auch in ihm sah. Er trank kaum. Dann verflog der Reiz des Neuen allmählich. Ich wusste nicht, dass er damals bereits gegen die Sucht kämpfte, die ihre gierigen Klauen längst in sein Fleisch geschlagen hatte und ihn nicht mehr losließ.
    Ich brauchte einige Zeit, bis ich begriffen hatte, wie stark die Sucht bereits Besitz von ihm ergriffen hatte. Als ich es merkte, war es zu spät. Ich konnte mich nicht mehr von ihm lösen. Alex war ganz selbstverständlich meine Stütze geworden. Bevor ich ihn kennengelernt hatte, hatte ich nur für die Arbeit gelebt, immer und immer wieder für die Arbeit. Doch ich hatte den Schmerz meiner Kinderjahre nur weggeschoben, und jetzt schien er mit einem Mal mit aller Macht an die Oberfläche zu wollen. Alex’ Exzesse lenkten mich davon ab. Und ich hatte es satt, vernünftig zu sein. Das war vermutlich das eigentliche Problem.
    Wir waren erst wenige Monate zusammen, als wir die Eigentumswohnung am Borough Market zur, höflich ausgedrückt, großen Überraschung meines Vaters kauften. Alex hatte die Wohnung schon kaufen wollen, als wir uns kennenlernten, und aus einer Laune heraus fragte er mich, ob ich nicht zu ihm ziehen wolle. Ebenfalls aus einer Laune heraus sagte ich Ja. Anfangs machte ich mir noch Sorgen, wie es wohl werden würde, wenn ich bei Bel auszog, doch Alex hatte sie gerade eben mit Johnno bekannt gemacht, und so hatten meine beste Freundin und ich allen Grund zum Feiern. Unser Timing hätte kaum besser sein können.
    Unser erstes Weihnachten verbrachten Alex und ich allein in Cornwall. Am Weihnachtstag machte ich Gans mit Apfel-Rotkohl und dazu absolut perfekte Röstkartoffeln (auch wenn das Urteil von mir persönlich stammte). Allerdings tranken wir mehr, als wir aßen. Ich schenkte Alex einen Socken voll wunderbar blödsinnigem Zeug wie ein klapperndes Gebiss zum Aufziehen, ein Schaumbad und Mandarinen. Alex hatte mir Fäustlinge gekauft, weil meine Hände, wie er sagte, immer so kalt seien. Dazu noch einen Handbesen mit Kehrichtschaufel, weil mir immer alles in Scherben ging. Und ein ramponiertes Klavier aus alter Eiche.
    Vielleicht war das der Auftakt der schlimmen Zeit, die folgen sollte. Ich wollte kein Klavier. Ich wollte nichts, was mich an meine Mutter erinnerte. Aber vor allem wollte ich uns Weihnachten nicht verderben. Ich tat so, als ginge es mir gut, aber es

Weitere Kostenlose Bücher