Nur aus Leidenschaft
Wo willst du hin?"
Schwer atmend und traur ig blieb sie stehen, die Hand an den Türrahmen gestützt. Doch sie drehte sich nicht zu Pete um. „Nach Hause", flüsterte sie. „Nach Hause", wiederholte sie entschlossen. Dann gab sie sich einen Ruck und stürzte davon.
Gerade als Carol ihr dunkles Haus betrat, klingelte das Telefon, doch sie ignorierte es. Sie wusste, dass es Pete war. Ohne Licht zu machen, ging sie in ihr Schlafzimmer. Das Läuten verstummte nach einer Weile, und dankbar ließ sie die Stille auf sich wirken.
Dann setzte es erneut ein. Das beharrliche Klingeln ging ihr so sehr auf die Nerven, dass sie meinte, es nicht länger auszuhalten. Schließlich riss sie den Hörer von dem Apparat neben dem Bett. „Ich will nicht mit dir sprechen", rief sie wütend und fügte milder hinzu: „Bitte ruf mich nicht mehr an."
Sie legte auf, ohne Pete die Chance zu geben, ein Wort zu sagen. Dann sank sie aufs Bett und vergrub das Gesicht in den Händen. Heiße Tränen liefen ihr übers Gesicht, und ihre schmalen Schultern bebten. Carol weinte lange und hemmungslos, als müsste sie sich einen schweren Kummer von der Seele weinen.
Am nächsten Morgen begann Carol verbissen, ihr Haus zu put zen. Sie dachte, sie hätte am Abend zuvor alle Tränen geweint, die in ihr waren, doch bald liefen sie ihr wieder über die Wangen. Ärge rlich wischte sie sich die Augen und stieß mit der Hüfte die Hintertür auf, um draußen den Küchenläufer auszuschütteln. Im Nu war sie in eine Staubwolke gehüllt. Der Staub stach ihr in die Kehle und in die bereits geschwollenen Augen. Hustend wandte sie den Kopf weg und kniff die Augen zu, um so wenig wie möglich von dem Staub abzubekommen.
Als sie meinte, der Läufer sei jetzt sauber genug, hängte sie ihn zum Auslüften über das Verandageländer. Die warme Sonne lockte sie, so dass sie die Fliegentür hinter sich zufallen ließ und auf die Veranda hinaustrat. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wandte das Gesicht zum Himmel. Tief einatmend schloss sie die Augen und wartete, bis die Sonne ihre nassen Wangen getrocknet hatte. Dabei nahm sie sich fest vor, nicht mehr zu weinen.
Sie öffnete die Augen und schauten den weißen Wolken am blauen Himmel nach.
Tatsächlich waren ihre Tränen versiegt, und erleichtert wollte sie wieder ins Haus gehen.
Da sah sie ihn. Neben der Tür, mit hängenden Köpfen und verblassenden Farben lag ein üppiger Strauß von Wiesenblumen aller Art, zusammengehalten von einem verwitterten Lederstreifen.
Carol fuhr herum und schaute sich angestrengt um. Das Herz klopfte ihr hart gegen die Rippen, denn sie erwartete und fürchtete, Pete irge ndwo stehen zu sehen. Doch der Hof war leer. Bis auf das Rascheln des Windes in den Blättern der alten Eiche unterbrach nichts die friedvolle Stille.
Langsam kniete sie nieder und nahm mit bebenden Händen den welkenden Strauß auf.
Carol richtete sich auf und vergrub die Nase in ihm. Da strömten ihr wieder die Tränen über die Wangen und fielen wie glänzende Diamanten auf die bunten Blüten.
Oh Pete, bat sie stumm, tu mir das nicht an. Hör auf, mir wehzutun.
Pete saß auf den Stufen der Veranda, die Schultern gebeugt, die Unterarme auf die Schenkel gestützt, und zerbröselte mecha nisch einen Zahnstocher zwischen den Fingern. In der Ferne hörte er das Vieh muhen, und es klang in der Dunkelheit fast melancholisch.
Er fühlte sich einsam.
Seufzend warf er die Holzsplitter beiseite und lehnte sich mit dem Rücken an den mächtigen Verandapfosten. Er schaute hinaus in die Nacht. Einsamkeit war ein Gefühl, das ihn neuerdings immer öfter überfiel, doch nie hatte er es so intensiv empfunden wie heute.
Er vermisste Carol. Er wollte sie um sich haben - mit ihr reden, sie in den Armen halten.
Aber sie wollte ihn nicht sehen. Verflixt, sie ging nicht einmal ans Telefon, und er hatte sie im Lauf des Tages an die hundert Mal zu erreichen versucht, nachdem er ihr in aller Frühe den Blumenstrauß vor die Tür gelegt hatte. Dabei war er sicher, dass sie zu Hause war, denn gegen Abend war er bei ihr vorbeigefahren und hatte ihren Pick-up dastehen sehen.
Doch er hatte nicht den Mut aufgebracht, in ihre Zufahrt einzubiegen und an ihre Tür zu klopfen. Wenn sie nicht einmal bereit war, ans Telefon zu gehen ...
Er wusste, er hatte sie gekränkt. Er hatte den Schmerz in ihren Augen gesehen und in ihrer Stimme gehört, als sie am Abend zuvor aus Claytons Schlafzimmer gestürmt war. Doch er war so betroffen
Weitere Kostenlose Bücher