Nur aus Leidenschaft
Jimmy auf ein Pferd zu hieven? Er zog die Bremse an Adriennes Stuhl an und beugte sich zu ihr hinunter.
„Ich bin gleich wieder da, Cowgirl", flüsterte er und ging zu Carol.
Ohne zu zögern, nahm er den Beutel von ihrem Gürtel, schob sie beiseite und befestigte den Beutel an seinem Gürtel. Sie schien einiges einwenden zu wollen, doch er stützte ungerührt die Hände auf die Knie und näherte sich Jimmys Gesicht. „Wie alt bist du, mein Junge?"
„Achtzehn", lispelte der Junge und senkte schüchtern den Kopf.
„Ein alter Herr also", meinte Pete und grinste. „Ich wette, du musst die Mädchen mit Stockschlägen vertreiben, stimmt's?"
„Pete, nein, wirklich", begann Carol, aber er hob beschwichtigend die Hand. Ärgerlich faltete sie die Arme vor der Brust und trat zurück.
„Hast du schon einmal auf einem Pferd gesessen, Jimmy?" fragte Pete.
„Nein."
„Gut, dann wollen wir mal, Cowboy." Er schob dem Jungen eine Hand hinter den Rücken.
„Leg deine Arme um meinen Hals, okay, Partner?"
„Okay", erwiderte Jimmy und hob die Arme.
„Halt dich gut fest", befahl Pete. Mit der anderen Hand griff er unter Jimmys Knie und hob ihn hoch. „Ich will dich schließlich nicht in den Haufen Pferdeäpfel da fallen lassen."
Jimmy kicherte und drückte das Gesicht an Petes Halsbeuge.
Carol eilte an Petes Seite und fauchte ihm ins Ohr: „Was soll das denn werden?"
„Ich lasse Jimmy eine Runde reiten. Deswegen ist er doch hier, nicht?"
„Ja, aber ich brauc he deine Hilfe nicht."
Pete ging einfach weiter. „Das habe ich auch nicht behaup tet."
„Aber du hast keine Ahnung von Behinderten. Mit diesen Kindern muss man besonders behutsam umgehen."
Pete blieb bei einem Pferd stehen und verlagerte Jimmys Gewicht auf seinen Armen. „Ich weiß sehr wohl, was ich tue. Geh du rüber auf die andere Seite." Er wies mit dem Kinn auf die Stelle, wo Carol sich bereithalten sollte. „Halt ihn fest, wenn ich ihn in den Sattel gesetzt habe."
Aufgebracht vor sich hin murmelnd, gehorchte sie. Pete hob den Jungen hoch und sicherte seine Schenkel und Schultern mit Gurten, die er am Sattelknauf befestigte, während Carol ihn hielt.
„Ist das gut so?" fragte er und zwinkerte Jimmy zu.
Der nickte und sang selig vor sich hin: „Pferdchen reiten, Pferdchen reiten."
„Da, nimm", sagte Pete zu Carol und reichte ihr die Trense.
„Du kümmerst dich um Jimmy. Ich setze inzwischen Adrienne in den Sattel."
Sprachlos starrte Carol Pete nach, der unbekümmert davonschlenderte.
Carol konnte es nicht fassen. Hätte sie es nicht selbst erlebt, sie hätte es nicht geglaubt. Pete, der Cowboy, der die ungebärdigs ten Pferde ritt, die Züchter zu bieten hatten, der nebenbei eine Menge Geld verdiente, indem er in hautengen Jeans für seine Sponsoren in Kameras lächelte, dieser Pete joggte neben einer behäbigen Stute her und hielt die behinderten Kinder im Sattel. Er lachte und scherzte mit den Kindern, wischte ihnen Speichel aus den Mundwinkeln, setzte ihnen seinen Cowboyhut aufmachte sie für eine Weile glücklich.
Nein, sie hätte es wirklich nicht geglaubt.
Und sie hätte auch nicht geglaubt, dass ihr das Herz dabei aufgehen würde.
Aber so war es.
Und aus diesem Grund wollte sie weg von ihm - weit weg. Doch er blieb beharrlich an ihrer Seite, als sie in der Zufahrt stand und den davonfahrenden Kindern nachwinkte.
Während sie der Staubwolke nachblickte, die der Bus hinter sich ließ, wurde ihr bewusst, dass sie Pete zumindest ein Dankeschön schuldete, so schwer ihr das auch fallen würde. Doch ohne seine Hilfe wäre sie niemals in der Lage gewesen, den Kindern das ersehnte Erlebnis eines Ritts zu verschaffen.
Mit verkniffenem Gesichtsausdruck wandte sie sich ab. „Danke", murmelte sie widerstrebend und ging zum Reitplatz, um die Pferde abzusatteln.
Zu ihrem Ärger lief Pete neben ihr her. „Es war mir ein Vergnügen. Nett, diese Kinder.
Kommen sie öfter hier heraus?"
Carol erreichte den Zaun und die dort angebundenen Pferde. Unwillig nahm sie ein Paar Steigbügel und legte sie über den Sattel. „Einmal im Monat", gab sie schroff zurück.
„Wirklich?"
Sie hörte die Verwunderung in seiner Stimme, ging auf seine Frage aber nicht ein.
Schweigend löste sie den Sattelgurt und hoffte, Pete würde endlich begreifen und gehen.
Er ging nicht.
Stattdessen trat er zu dem nächsten Tier in der Reihe und begann, es ebenfalls abzusatteln.
„Was zahlen sie dir dafür?"
Verbissen machte sie sich an Gurten und Leinen zu
Weitere Kostenlose Bücher