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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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vor dem Taxi gestanden und hatte dem Schlafenden zugeschaut, wie seine geschlossenen Augen zuckten, wie seine Lider hüpften, wie seine Hände, geballt zu Fäusten, an seine Brust gedrückt lagen. Es war das einzige Taxi vor dem Museum. Mosca wollte zum Flughafen, wenn er pünktlich sein sollte, müssten sie bald abfahren. Er entschloss sich, den Taxifahrer zu wecken. Er berührte ihn sachte an der Schulter.
    Ben fuhr hoch, er stieß einen Schrei aus. Mosca schrak zurück. Ben setzte sich auf, er wusste nicht, wo er war, er schaute nach oben, er riss die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Mosca starrte ihn verwundert an.
    Der Mann hatte einen schlechten Traum, dachte er, oder er nimmt diese bunten Pillen.
    Kann ich Ihnen helfen, sagte er.
    Nein, nein, Sie haben mir bereits geholfen, Sie haben mich da herausgeholt, ein übler Traum, ich danke Ihnen, geben Sie mir eine Sekunde, wir können gleich los.
    Ist schon gut, sagte Mosca.
    Er setzte sich auf eine Bank vor dem Museum.
    Ben rauchte, er streckte sich, schüttelte sich, er wollte ihn loswerden, diesen Traum.
    Mosca hatte noch ein wenig Zeit vor dem Abflug, er war den ganzen Vormittag in der Ausstellung gewesen. Allein.
    Es war die größte Klein-Ausstellung seit zehn Jahren. Leihgaben aus der ganzen Welt waren zusammengetragen worden. Seitdem die Ausstellung eröffnet worden war, war er schon achtmal da gewesen. Am Ende der Halle hing ein sehr großes blaues Mono­chrom, vor dem er stundenlang stand. Immer an derselben Stelle. Es war eine Leihgabe eines polnischen Sammlers. Privatbesitz. Mosca hätte es unter Tausenden wiedererkannt. Im unteren Bildviertel hatte Jo die Pigmente dichter aufgetragen als am Rest des Bildes.
    Mosca hatte ihn damals gefragt, ob er alles in dem dunklen Blau halten wolle, und Jo hatte geantwortet, nein, heute ist Klein launisch, er kann sich nicht entscheiden, unser Pole bekommt ein leicht schattiertes Monochrom. Das ist künstlerische Freiheit.
    Jo hatte laut gelacht.
    Im ersten Moment als Mosca das Bild in der Ausstellung sah, wurde ihm schlecht. Hier hing eine Fälschung unter all den Originalen. Hier hing ein Bild von Jo. Sie würden es früher oder später bemerken, sie würden ihn finden, ihn aufspüren und wegsperren. Aber es kam keiner. Sie hatten Jos Bild zu den anderen gehängt. Im Katalog stand nur: Privatbesitz.
    Auf seine Frage, wer der Besitzer sei, hieß es, der Sammler wolle ungenannt bleiben, und dieses Mono­chrom zeige auf eindrucksvolle Weise Kleins variantenreichen Umgang im Auftragen des internationalen Klein-Blaus. Es war das größte blaue Monochrom in der Ausstellung. Und Jo hatte es gemalt. Mosca war stolz auf ihn. Er kam wegen Jos Bild in die Ausstellung, und wegen der Fotografie. Sie hatten sie vergrößert. Im Aufgangsbereich hing sie, am Beginn der Ausstellung.
    Der Sprung in die Leere. Yves Klein, wie er fliegt, wie er dabei ist, sich aufzulösen, wie er glücklich in der Luft liegt und alles hinter sich lässt.
    Dieser verrückte Franzose, dachte Mosca.
    Er ging die Treppen hinunter. Neben ihm das Bild.
    Er ging langsam die Treppen hinunter. Hinter ihm Klein, wie er springt.
    Er ging zu den Schließfächern, zu seinem Fach und zog seine Tasche und das Bild heraus. Es war in Packpapier eingewickelt. Oben hängt eine Fälschung, und im Schließfach steht ein Original. Mosca schmunzelte.
    Er würde das Bild jetzt nach München bringen, er würde es dorthin bringen, wo Jo es gerne gehabt hätte. Er verabschiedete sich bei der Dame am Eingang und ging hinaus auf den Platz, das Bild unter dem Arm. Er ging zu dem einzigen Taxi am Standplatz.
    Der Fahrer schien zu schlafen. Seine Augäpfel zuckten unter der Haut. Er war schön, aber ungepflegt. Das hasste Mosca.
    Das war gestern am Morgen.
    Er saß auf der Bank und schaute ihm zu. Ben trat seine Zigarette aus und öffnete das Verdeck. Er war unendlich müde, er hatte lange nicht richtig geschlafen. Seit Tagen nicht. Er sah noch immer den Elefanten über sich, wie er dabei war, ihn zu erschlagen. Er schüttelte seinen Kopf, Mosca sah, wie er ihn hin und her warf, wie er versuchte, etwas los zu werden, es hinauszuwerfen aus seinem Kopf.
    Es war ein Cabrio-Taxi. Ben hatte darauf bestanden.
    Wenn ich schon Taxi fahre, dann mit Stil, sagte er.
    Mosca stellte das Bild hinter den Beifahrersitz und stieg ein. Es war ihm egal, wer ihn fuhr.
    Zum Flughafen, bitte.
    Er war zufrieden. Entspannt.
    Ben fuhr los. Er dachte an seinen Traum, er wollte ihn nicht haben. Diesen

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