Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
Passierkarte ausgeliehen. Hat sich vielleicht auch jemand deinen Computer ausgeliehen?«
»Nein«, sagte Petra. »Niemand kennt mein Passwort.«
»Und wie lautet es? Westman vielleicht?«
Petra versuchte ein herablassendes Lächeln zu produzieren.
»Nichts, was man erraten könnte.«
»Zeig es mir«, forderte Malmberg sie auf.
»Mein Passwort? Niemals.«
»Wie du dich in deinen Rechner einloggst.«
Während Petra sich in ihren Computer einloggte, blieb er ruhig auf dem Stuhl sitzen und versuchte nicht zu beobachten, was sie eintippte.
»So«, sagte Petra. »Ich bin drin.«
»Du bleibst dabei, dass deine Datensicherheit gewährleistet ist? Dass niemand anderes als du selbst die Möglichkeit hat, Zugang zu deinem Rechner zu bekommen?«
Petra nickte, fühlte sich aber plötzlich unsicher, ob das die richtige Antwort war.
»Geh in dein Mailprogramm«, fuhr Malmberg mit frostiger Stimme fort.
Petra tat ohne zu murren, was er von ihr verlangte. Sie war nicht dazu verpflichtet, aber sie wollte das Ganze hinter sich bringen.
»Am Freitag um 23:58 Uhr hast du eine provozierende Mail an Roland Brandt geschickt«, sagte Malmberg, während er sich aus dem Stuhl erhob und seinen Schlips zurechtrückte. »Er fühlt sich in seiner Persönlichkeit zutiefst verletzt und wird entsprechende Maßnahmen ergreifen. Die Tatsache, dass du betrunken warst, kann möglicherweise als mildernder Umstand betrachtet werden. Oder als erschwerender. Wir lassen von uns hören, sobald entschieden worden ist, ob eine Entzugstherapie, Suspendierung, Versetzung oder Entlassung die angemessene Reaktion auf dein Verhalten ist. Auf Wiedersehen.«
Der stellvertretende Polizeidirektor verließ mit selbstsicheren Schritten das Büro. Petra war den Tränen nahe und hatte immer noch nicht die leiseste Ahnung, welchen Vergehens sie eigentlich beschuldigt wurde. Mit einem dicken Klumpen im Hals klickte sie auf den Ordner mit den versendeten Nachrichten.
*
Die Sonne ging unter, und jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Hanna hatte sich den ganzen Nachmittag nach diesem Abend gesehnt, denn dann, wenn es draußen dunkel war, würde sie endlich gerettet werden. Von einem netten Onkel namens Teddy. Er würde Essen und Süßigkeiten mitbringen. Hanna konnte es gar nicht mehr erwarten. Sie wollte, dass es sofort Abend war.
Am Vormittag, als noch ganz viel Zeit vor ihr lag, hatte sie sich sehr einsam gefühlt. Sie hatte vor dem Fernseher auf dem Boden gelegen und geweint, lange geweint. Sie sehnte sich so schrecklich nach Mama, dass sie es kaum noch aushalten konnte. Ihr Zorn war mittlerweile verraucht, auf Mama konnte man nicht lange böse sein. An Lukas dachte sie gar nicht. Es war nur noch die Einsamkeit übrig. Eine Einsamkeit, die so groß war, dass sie Schmerzen in den Ohren bekam. Die Stille in der Wohnung, wenn der Fernseher ausgeschaltet war, prallte zwischen den Wänden hin und her wie eine große, donnernde Kugel, die niemals zur Ruhe kam. In diesen Augenblicken brauchte sie Mama, nicht einmal Papa hätte da ausgereicht.
Hanna hatte aufgehört zu weinen, als sie nicht mehr konnte, als es im Hals so wehgetan hatte, dass sie aufhören musste. Danach hatte sie noch viele Stunden unverändert dagelegen und vor sich hingestarrt, während die Gedanken kamen und gingen. Sie hatte seit dem Morgen nichts gegessen, hatte keine Kraft aufzustehen. Am Ende war sie einfach eingeschlafen.
Als sie einige Stunden später aufwachte, fühlte sie sich schon besser. Sie hatte Butter gegessen, direkt aus der Packung, und ungekochte und ungeschälte Kartoffeln aus dem Kühlschrank. Es war nicht lecker, aber es hatte ein bisschen satt gemacht, und bald würde ja Teddy mit den Hamburgern kommen.
Sie saß an dem kleinen Tisch in ihrem Zimmer und legte ihre Lesezeichen in langen Reihen vor sich hin, als das Telefon klingelte. Sie lief in den Flur hinaus, kletterte auf den Stuhl und war am Apparat, bevor es mehr als viermal geklingelt hatte.
»Hallo!«, meldete sie sich erwartungsfroh.
Vielleicht war es Mama, die endlich anrief.
»Ist dort Hanna?«
Das war nicht Mamas Stimme.
»Ja«, antwortete sie trotz der Enttäuschung. »Wer ist da?«
»Meine Kleine, ich bin’s, Barbro! Wie geht es dir?«
»Ich finde dich doof«, sagte Hanna.
»Ich verstehe, dass du denkst, dass ich sehr lange gebraucht habe. Aber es war sehr schwer, dich zu finden, das kann ich dir sagen.«
»Du lügst.«
»Liebe Hanna! Wenn du wüsstest, was ich alles getan habe, um dich zu
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