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Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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fest.
    »Danke«, sagte Jocke mit einem zögernden Lächeln.
    Er rieb sich mit dem Zeigefinger am Auge, als würde er sich fragen, ob sein blaues Auge nicht eine andere Geschichte erzählte. Es hallte im Treppenhaus, als die Eingangstür unten ins Schloss fiel.
    »Wie fühlst du dich?«
    Jocke zögerte einen Moment, bevor er antwortete.
    »Beschissen, im Grunde. Das Leben hat irgendwie … aufgehört. Man weiß nicht, wie man weitermachen soll.«
    »Mir geht es genauso«, sagte Elise schnell.
    Eigentlich wusste sie nicht, wie sie sich fühlte. Sie hatte noch gar nicht so richtig in sich hineingehorcht. Es war schwer zu begreifen, dass ihre große Schwester tatsächlich ermordet worden war. Dass es Jennifer nicht mehr gab. Gleichzeitig hatte sie noch gar nicht angefangen, sie zu vermissen. Jocke sah traurig aus, und sie bekam Lust, ihn in den Arm zu nehmen. Ihn über die Wange zu streicheln, auf irgendeine Art zu zeigen, dass sie Anteil nahm. Sie hörte, wie sich jemand im Treppenhaus von unten näherte und drehte sich zu dem Geräusch um. Ein Mann war auf dem Weg nach oben, aber sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, weil er den Blick nach unten, auf seine Schuhe, gerichtet hatte.
    Sie wandte sich wieder Jocke zu und wollte gerade etwas sagen, als sie bemerkte, wie er erstarrte. Sein Blick wurde irgendwie leer, als ob er nicht mehr richtig da war. Er schaute nicht mehr sie an, sondern den Mann, der sich ihnen von unten näherte. Elise spürte sofort die Spannung und zog die Schultern hoch, um sich vor dem zu schützen, was möglicherweise gleich von hinten kam. Sie und Jocke standen wie festgenagelt da. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, starrte nur Jocke an und versuchte aus seinen Reaktionen abzulesen, wie sie sich verhalten musste.
    »Aha«, sagte eine Männerstimme hinter ihr.
    Jocke sagte nichts. Elise rührte sich nicht.
    »Wen haben wir denn da?«
    »Nur eine Freundin«, sagte Jocke.
    *
    Das war die falsche Antwort gewesen, das war Jocke sofort klar. Er hätte alles Mögliche sagen dürfen, nur nicht das. Es wurde von ihm erwartet, keine Freunde zu haben. Und vor allem keine Freundin. Er hätte sagen können, dass jemand an der falschen Tür geklingelt hatte. Irgendwas, nur nicht das. Er hatte es für Elise getan, damit sie sich nicht wunderte. Aber er hätte es besser wissen müssen.
    »Das ist ja eine hübsche kleine Freundin, die du da hast«, sagte der Mann mit freudloser Stimme, aber der Hohn in seiner Stimme entging Elise nicht.
    Er sprach über sie, vielleicht auch zu ihr, und sie reagierte ganz natürlich darauf, indem sie sich mit einem gezwungenen Lächeln zu dem fremden Mann umdrehte, als ob sie ihn begrüßen wollte. Aber das Lächeln erstarb, und sie bekam kein Wort heraus. Jocke sah, was passierte, aber ohne es zu verstehen, und um die Situation zu retten, sagte er eilig, mit so neutraler Stimme, wie es ihm möglich war:
    »Sie wollte gerade gehen, Papa.«
    Aber die Worte verloren sich im Nichts. Elise, die eigentlich nur ihre Hand zum Gruß heben und dann hätte gehen können, stand wie festgefroren mit offenem Mund da und konnte ihre Blicke nicht von dem Mann losreißen, und Jockes Vater, der bereits einen Schritt in die Wohnung gemacht hatte, hätte eigentlich seine Bewegung fortsetzen und im Dunkel der Diele verschwinden können. Stattdessen blieb er stehen, und Jocke sah die Verachtung in den Augen seines Vaters, als er sie vom Scheitel bis zu den Sohlen musterte, ein Körperteil nach dem anderen, bevor er mit Schaum in den Mundwinkeln fauchte:
    »Bist du gar nicht tot, du verdammte kleine Hure?«
    Erst dann ließ der böse Zauber nach, und sie sprang so schnell sie konnte die Treppe hinunter.
    *
    »Nichts«, sagte Sjöberg. »Nicht das Geringste von Interesse ist bei den ganzen Befragungen herausgekommen.«
    Hamad konnte es nicht lassen, noch eine Weile seine Vorfreude auszukosten und zu warten, bis der Kommissar sich ausgeheult hatte, bevor er von seiner eigenen Entdeckung berichtete.
    »Du siehst müde aus«, sagte er.
    Sjöberg seufzte. Seine Gedanken wanderten zu Margit Olofsson, die seinen Nachtschlaf störte, und dem Duft ihres Parfüms, das nach wie vor um ihn herum in der Luft hing. Er wollte nicht daran denken, und noch weniger darüber reden.
    »Ja, dafür gibt es wohl mehr als einen Grund«, antwortete er, ohne den Gedanken weiter auszuführen. »Nieminen hat übrigens angerufen. Diese finnischen Berater, Helenius und Grönroos, hatten noch nie mit der Polizei zu tun. Oder mit

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