Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
biss die Zähne zusammen.
Nachdem sie die ganze Packung aufgegessen hatte, schob sie einen der Stühle an die Küchenplatte, kletterte hinauf und drehte vorsichtig den Wasserhahn auf, damit sie sich nicht verbrannte, falls es zu heiß sein sollte. Sie probierte verschiedene Einstellungen aus und brachte den Wasserhahn schließlich dazu, kaltes Wasser abzugeben. Dann nahm sie ein Glas von der Geschirrablage, füllte es bis zur Hälfte und trank.
In diesem Moment musste sie plötzlich an das Telefon denken. Wenn niemand sie anrief, dann musste sie eben selber anrufen. Man musste einfach nur ein paar Knöpfe drücken, dann würde bestimmt jemand antworten. Sie rutschte auf den Boden hinunter und ging in den Flur. Der Kinderstuhl stand noch unter dem Wandtelefon. Sie kletterte hinauf und passte auf, dass sie den Knöpfen an den Schubladen der hohen Kommode und dem eingerahmten Foto nicht zu nahe kam. Sie nahm den Hörer ab, wie sie es bei anderen auch schon gesehen hatte, und drückte planlos auf den Nummerntasten herum. Es tutete an ihrem Ohr, und sie wartete eine Weile, ohne dass jemand antwortete. Hanna legte den Hörer auf und versuchte es noch einmal. Plötzlich hörte sie eine Stimme an ihrem Ohr:
»Hallo.«
Es klang wie ein Onkel.
»Hallo«, sagte Hanna.
»Mit wem spreche ich?«, fragte der Onkel mürrisch.
»Hier ist doch Hanna«, antwortete Hanna. »Ist da Papa?«
»Nee, du, hier ist nicht Papa. Da hast du die falsche Nummer gewählt.«
Dann legte er auf. Hanna ließ sich nicht entmutigen. Sie versuchte es noch einmal, ganz viele Male, bevor sie wieder eine Stimme am anderen Ende hörte.
»Dies ist der Anschluss von Familie Larsson. Zurzeit kann niemand das Gespräch entgegennehmen. Bitte seien Sie so freundlich und hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton.«
»Ist Papa da?«, fragte Hanna.
»Piep«, tönte es aus dem Hörer, und dann wurde es still.
»Hallo, ich möchte reden!«, rief Hanna dem Anrufbeantworter zu, aber es blieb still.
Also legte sie auf, aber sie dachte gar nicht daran, sich so leicht geschlagen zu geben.
»Hagström«, meldete sich eine Stimme.
»Hallo«, sagte Hanna.
»Hallo, Hallo. Bist du das, Emma?«
Die Stimme klang freundlich. Sie erinnerte an Mamas Stimme.
»Nein, hier ist Hanna. Ist da Mama?«
»Nein, junge Dame, da hast du die falsche Nummer angerufen.«
»Welche Nummer soll ich denn anrufen?«, fragte Hanna.
»Versuch es doch einfach mit der Nummer deiner Mama«, antwortete die Stimme amüsiert.
»Meine Mama ist weg«, sagte Hanna.
»Das ist ja gar nicht gut«, sagte die Stimme. »Wo ist denn dein Papa?«
»Er ist in Japan. Er kommt erst in ganz, ganz vielen Tagen nach Hause.«
»Das ist ja ein Ding. Weißt du, eigentlich sollte man nicht mit dem Telefon spielen. Du solltest am besten jetzt damit aufhören, finde ich. Aber es war nett, sich mit dir zu unterhalten. Tschüß!«
Und dann wurde es wieder still im Hörer. Hanna seufzte und hängte ihn zurück auf die Gabel. Zumindest konnte man nette Menschen finden, wenn man so telefonierte. Sie würde nicht aufgeben. Nein, sie würde so lange anrufen, bis jemand kam und sie rettete. Genau das würde sie tun.
Nach ein paar weiteren missglückten Versuchen erwischte sie endlich wieder jemanden.
»Hier bei Dahlström.«
Es war eine Tante. Ihre Stimme klang sehr alt.
»Hallo, hier ist Hanna.«
»Hallo, Hanna!«, sagte die Tante fröhlich.
»Wie heißt du?«, fragte Hanna.
»Ich heiße Barbro.«
»Kennst du meine Mama?«
»Nein, ich glaube nicht«, antwortete Barbro.
»Warum willst du dann mit mir sprechen?«
»Tja«, antwortete die alte Tante nachdenklich, »eigentlich wolltest doch du mit mir sprechen, oder?«
»Ja«, stimmte Hanna ihr zu, »denn mein Papa und meine Mama sind weg.«
»Was sagst du da?«, fragte Barbro. »Wer kümmert sich denn dann um dich?«
»Das mache ich selber«, antwortete Hanna mit einem gewissen Stolz.
»Aber mein liebes Kind, wie alt bist du denn?«
»So viele Jahre«, sagte Hanna und hielt drei Finger in die Luft. »Aber bald werde ich so viele Jahre alt.«
Jetzt waren vier Finger in die Luft gestreckt. Die Tante schwieg eine Weile.
»Du bist doch nicht etwa ganz allein zu Hause?«, fragte sie schließlich.
»Doch, das bin ich.«
»Und wo ist deine Mama?«
»Sie ist ausgezogen. Sie mag nur Lukas, und ich bin so schrecklich ungezogen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Barbro entschieden. »Ich finde, du klingst wie ein sehr nettes und artiges Mädchen.
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