Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
Und dein Papa?«
»Papa ist in Japan.«
»Aber es muss doch jemanden geben, der sich um dich kümmert?«
»Ich schaffe fast alles alleine. Ich habe Pyttipanna gegessen. Obwohl ich mich gestoßen habe, und es hat geblutet, und ich will, dass Papa jetzt nach Hause kommt und pustet.«
»Flunkerst du jetzt, Hanna, oder bist du wirklich ganz allein zu Hause?«, fragte Barbro mit besorgter Stimme.
»Ich flunkere nicht. Kannst du kommen und mich retten? Ich will nicht länger hier alleine sein.«
»Hanna, erst musst du mir erzählen, wo du wohnst. Weißt du, wie deine Straße heißt?«
»Schweden?«, sagte Hanna unsicher.
»Wohnst du in Stockholm, weißt du das?«
»Ja. Und in Schweden.«
»Und wie ist dein Nachname?«
Hanna wusste nicht, was sie antworten sollte, also schwieg sie.
»Heißt du vielleicht Andersson oder Pettersson? Hanna Karlsson vielleicht? Weißt du das?«
»Ich heiße Hanna Birgitta«, sagte Hanna zufrieden, aber Barbro schien nicht zu denken, dass die Antwort richtig war, denn sie hörte gar nicht auf zu fragen.
»Wie sieht es dort aus, wo du wohnst? Gibt es dort viele Autos und Geschäfte und so?«
»Ja«, antwortete Hanna. »Und Wochenendhäuser.«
»Hör zu, Hanna«, sagte Barbro eifrig, »könntest du vielleicht zum Fenster gehen und auf die Straße gucken? Leg den Hörer einfach nur zur Seite – nicht auflegen –, und dann kommst du zurück und erzählst mir, was du draußen gesehen hast. Kannst du das machen?«
»Mmh, draußen ist es aber dunkel.«
»Aber es gibt doch bestimmt Straßenlaternen, die dafür sorgen, dass du trotzdem ein bisschen sehen kannst.«
»Mmh«, sagte Hanna erneut, legte den Hörer auf die Kommode, wie es die nette Tante gesagt hatte, und ging zum Wohnzimmerfenster.
Als sie an das Telefon zurückgekehrt war, erzählte sie artig, was sie gesehen hatte:
»Hier gibt es ein Schloss. Das ist riesengroß und gelb, mit blauen und roten Vierecken drauf. Und Buchstaben. Und ganz oben gibt es einen Turm, da wohnt die Prinzessin.«
»Also keine Wochenendhäuschen?«, fragte Barbro.
»Doch, auch Wochenendhäuschen. Und ein Schloss.«
»Kennst du jemanden in deinem Haus?«
»Nur Onkel Bergman, aber der ist böse.«
»Hanna«, sagte Barbro ernst. »Hör mir jetzt genau zu. Ich werde kommen und dich retten, aber das kann eine Weile dauern. Ich möchte, dass du ordentlich isst. Du musst jetzt ein artiges Mädchen sein. Du darfst keine Fenster öffnen, nicht den Herd oder irgendwelche Kabel anfassen. Verstehst du das, Hanna? Es ist ganz wichtig, dass du tust, was ich dir gesagt habe.«
»Ich werde ganz lieb sein«, versprach Hanna überzeugend.
»Wenn das Telefon klingelt, musst du antworten und dasselbe erzählen, was du auch mir erzählt hast. Und versprich mir, immer ein fröhliches Mädchen zu sein, dann werde ich ganz schnell kommen und dich retten. Das kann ziemlich lange dauern, aber du darfst nicht aufgeben. Verstehst du?«
»Ja«, sagte Hanna.
»Auf Wiedersehen, meine Kleine. Pass auf dich auf. Sei vorsichtig.«
Barbro klang beinahe, als müsste sie gleich weinen, aber das konnte ja nicht sein, sie war doch schon groß.
»Tschüß, Barbro«, rief Hanna fröhlich, um die nette Tante aufzumuntern.
Dann legte sie den Hörer auf, setzte sich auf den Teppich und wartete.
*
In seinem tiefsten Inneren war er dankbar, dass Hamad mitkommen wollte. Sjöberg hatte es vorher schon viele Male getan, allein, aber es war immer wieder gleich schwer. Und jetzt – das Mädchen war sechzehn Jahre alt, ein Kind noch. Nachdem sie die Finnen veranlasst hatten, ihnen alle Namen und Adressen von Passagieren zu faxen, die sie hatten, und sich der Zeitpunkt näherte, an dem Sjöberg zu der Adresse am Skanstull aufbrechen musste, hatte Hamad bemerkt, wie Sjöbergs Kopf immer tiefer zwischen seinen Schultern versank.
»Ich komme mit«, hatte er gesagt. »Zur psychologischen Unterstützung.«
Sjöberg wollte erst widersprechen, aber er fühlte sich gleichzeitig so erleichtert, dass er nichts zu sagen vermochte. Und Hamad sagte nur:
»Früher oder später werde ich derjenige sein, der dort stehen wird, also kann ich mich auch jetzt schon dran gewöhnen.«
Aber es kam ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatten.
»Die Tür ist offen!«, brüllte jemand aus der Wohnung, nachdem sie das dritte Mal angeklopft hatten.
Im Treppenhaus roch es intensiv nach Schmierseife, aber noch intensiver nach gebratenen Zwiebeln. Vorsichtig öffneten sie die Tür zu der Wohnung auf der
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