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Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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er schließt gerade.«
    »Natürlich, aber es dauert nur eine Minute. Ich würde gerne wissen, ob Sie ein kleines Mädchen namens Hanna kennen? Hanna Birgitta, um genau zu sein. Den Nachnamen kenne ich leider nicht, aber ich weiß, dass sie einen Bruder hat, der Lukas heißt.«
    Die Frau dachte einen Augenblick nach, bevor sie antwortete:
    »Hannas kenne ich schon ein paar, aber ich glaube nicht, dass eine von ihnen einen Bruder hat, der Lukas heißt. Wie alt ist sie?«
    »Das weiß ich leider nicht«, antwortete Barbro, »und genau deswegen habe ich Sie angesprochen. Was glauben Sie, wie alt ein Mädchen sein kann, das ihren Nachnamen nicht kennt und auf die Frage nach ihrem Alter antwortet, indem sie es mit den Fingern zeigt?«
    »Tja, das kommt natürlich darauf an, wie weit sie ist«, sagte die Frau, der mittlerweile ein amüsiertes Glitzern in die Augen trat.
    »Dieses Mädchen ist sehr weit«, sagte Barbro schnell. »Sie kennt die Farben und spricht sehr gut. Bildet ganze Sätze.«
    »Dann würde ich auf drei Jahre tippen. Maximal vier. Mit fünf wissen sie in der Regel ihren Nachnamen. Und dann sind sie auch sehr genau, was halbe Jahre betrifft«, fügte sie mit einem Lachen hinzu. »Da ist es ein großer Unterschied, ob man fünf oder fünfeinhalb ist, und einen halben Finger wird sie wohl nicht haben, oder?«
    Barbro lächelte zurück und dankte ihr für die Hilfe. Aber sie spürte die Unruhe in sich wachsen. Die Antworten, die sie bekommen hatte, bestätigten nur, was sie sich aus der Erinnerung an ihre Tochter zusammengereimt hatte. Sie hatte gehofft, dass es nicht so wäre, aber das verlassene Kind war nicht älter als vier, wahrscheinlich sogar nur drei Jahre alt.
    *
    Lena Johansson hatte genug. Von fast allem, aber vor allen Dingen von sich selbst. Sie war siebenunddreißig Jahre alt, aber bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen sie den Mut aufbrachte, sich selbst im Spiegel zu betrachten, konnte sie feststellen, dass sie bedeutend älter aussah. Sie war noch nie eine Schönheit gewesen. Obwohl viele ihrer Mitschülerinnen hübscher gewesen waren, hatte sie mit ihrer positiven Einstellung zum Leben einen Reiz ausgestrahlt, der dazu geführt hatte, dass sich nicht nur die anderen Mädchen, sondern auch die Jungen um sie geschart hatten. Bei Jennifer war das genauso gewesen. Elise war aus einem anderen Holz geschnitzt, sie war zurückhaltender. Beide sahen sehr gut aus, aber das hatten sie von Janne.
    Janne und sie waren im gleichen Alter und hatten sich auf dem Gymnasium in Södertälje kennengelernt. Er hatte sich aus schwierigen Verhältnissen hochgearbeitet. Seine Eltern waren drogenabhängig und hatten sich früh von ihrer Verantwortung für ihn verabschiedet. Anscheinend unbeeinflusst von seiner Herkunft, besaß er alles, was den Jungen fehlte, mit denen sie zusammen aufgewachsen war. Er war groß und stark und sportlich, praktisch veranlagt und ehrgeizig. Darüber hinaus wirkte er so erwachsen, wie sie es nie zuvor bei einem Altersgenossen erlebt hatte, hatte eine wohlgefüllte Brieftasche in der Gesäßtasche und ein Mundwerk, mit dem er jeden gegen die Wand reden konnte.
    Doch vor allen Dingen war es seine Waghalsigkeit, die es ihr angetan hatte. Seine Respektlosigkeit gegenüber Regeln und Autoritäten und sein Hang zum Abenteuer und Verbotenen. Sie selbst war ein Einzelkind, und ihre Eltern waren wesentlich älter als die ihrer Schulkameraden. Vielleicht lag es daran, dass sie ihr keine Geschwister hatten schenken können, vielleicht auch wollten sie ihr hohes Alter damit kompensieren, dass sie sie verwöhnten und ihr eine sehr lange Leine ließen.
    Sobald die Schulzeit beendet war, hatten sie ihre Sachen gepackt und waren von Södertälje in die Großstadt gezogen. Janne hatte schon nach ein paar Tagen einen Job auf einer Baustelle gefunden und auch bald eine Mietwohnung ergattert, in der sie und die Mädchen heute immer noch lebten. Auch sie hatte bald eine Stelle in einer Siebdruckerei in Västberga gefunden, wo es ihr gefiel.
    Doch nach einem halben Jahr brach Janne sich den Arm und wurde krankgeschrieben. Eine typische Jannegeschichte: Er hatte ganz oben auf dem Dach gearbeitet, ohne Sicherungsleine, war gestolpert und mehrere Stockwerke tief auf ein niedrigeres Dach gestürzt, ohne sich mehr zu brechen als einen Arm. Die Männer, die das Ganze beobachtet hatten, meinten, dass er einen Schutzengel gehabt haben muss. Solange Janne nicht arbeiten konnte, vermieteten sie die Wohnung und

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