Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
flogen.
»Gumme Gaggo«, sagte sie mehrere Male, bis es irgendwann wieder wie »dumme Barbro« zu klingen begann.
Die Fleischklößchen, die sie nicht mehr schaffte, legte sie in die Verpackung zurück, die sie auf dem Tisch stehen ließ. Im Kindergarten mussten die Kinder, die keine Windeln mehr trugen, nach dem Essen auf die Toilette und Pipi machen, also machte Hanna es genauso. Es hatte sogar richtig gut geklappt. Nur ein einziges Mal hatte sie Pipi in die Hose gemacht, und da konnte sie es sogar anhalten und schnell auf die Toilette laufen und ihr Pipi zu Ende machen. Wenn Papa nach Hause kam, würde er zufrieden darüber sein, dass sie so etwas schon konnte. Wenn er überhaupt irgendwann nach Hause kommen würde.
Als sie nach dem Toilettenbesuch auf ihrem kleinen, weißen Schemel stand und sich die Hände wusch, klingelte das Telefon. Zum ersten Mal an diesem Tag klingelte das Telefon. Ohne sich die Hände abzutrocknen, stürmte sie in den Flur hinaus, kletterte schnell, aber vorsichtig auf den Hochstuhl und nahm den Hörer ab.
»Hallo!«, rief sie, aber am anderen Ende blieb es still.
»Hallo! Hallo! Bist du das, Barbro?«
Keine Antwort, aber trotzdem spürte sie, dass dort jemand war. Sie musste daran denken, was Barbro gesagt hatte. Dass sie, wenn jemand anrief – ganz egal, wer anrief – dasselbe noch einmal erzählen sollte, was sie ihr erzählt hatte.
»Meine Mama ist ausgezogen und Papa ist in Japan und ich bin ganz allein!«
Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus.
»Kannst du kommen und mich retten, denn ich bin hingefallen und habe mir wehgetan und es ist Blut gekommen, aber das ist jetzt schon fast wieder weg. Ich kann nicht rauskommen, weil Mama mich eingeschlossen hat, weil ich so ungezogen bin. Barbro wollte kommen und mich retten, aber das ist schon viele Tage her und ich bin so allein.«
Immer noch keine Antwort, aber sie war sicher, dass sie jemanden atmen hörte, sodass sie fortfuhr:
»Aus meinem Fenster kann ich ein Schloss sehen. Ein schönes, gelbes Schloss mit einem Turm für die Prinzessin und roten und blauen Karos drauf. Und Buchstaben …«
»Ich weiß, wo du wohnst«, sagte plötzlich eine tiefe Stimme aus dem Hörer.
»Wirklich?«, sagte Hanna erstaunt. »Dann musst du kommen und mich retten, bitte, bitte! Ich werde nicht ungezogen sein und bestimmt gehorchen.«
»Das klingt ja gut«, sagte der Mann mit etwas schleppender Stimme.
»Wie heißt du?«, fragte Hanna.
»Teddy«, antwortete die Stimme.
Hanna wusste nicht, dass man so heißen konnte. Sie fand den Namen süß, aber auch ein bisschen seltsam. Aber das sagte sie nicht. Sie wollte den Onkel ja nicht traurig machen.
»Und wie heißt du?«, wollte der Onkel wissen.
»Hanna. Findest du den Namen schön?«
»Ich finde, das ist ein sehr schöner Name«, sagte der Onkel freundlich. »Bist du ganz alleine zu Hause?«
»Das habe ich doch schon gesagt! Kommst du jetzt?«
»Heute Abend kann ich nicht kommen, dafür ist es schon zu spät. Aber morgen vielleicht?«
»Ja!«, jubelte Hanna. »Dauert das noch lange?«
»Tja«, antwortete die Stimme unschlüssig, »kommt darauf an, was man lange findet. Zuerst musst du die ganze Nacht schlafen, dann ist es morgen. Ich komme dann, wenn es Abend geworden ist.«
»Aber Mama hat mich eingeschlossen und man kann die Tür nicht aufmachen«, fiel Hanna plötzlich ein.
»Das Problem werden wir morgen schon lösen. Ich habe so viele Schlüssel. Da wird einer von ihnen bestimmt in euer Schloss passen. Hast du etwas zu essen?«
»Ich habe Fleischklößchen aus dem Kühlschrank gegessen. Und Leberpastete. Aber die Süßigkeiten sind alle.«
»Dann werde ich dir Süßigkeiten mitbringen, wenn ich morgen komme. Und Hamburger vielleicht. Magst du Hamburger?«
»Ja, super! Das finde ich toll!«
»Du musst ja ziemlich schmutzig sein, Hanna. Ist das so?«
»Ich habe gebadet, aber dann habe ich Wasser in die Nase bekommen und …«
»Das solltest du nicht tun«, sagte der Onkel. »Wir können morgen baden, du und ich. Ich bringe Hamburger und Süßigkeiten mit, dann machen wir ein kleines Fest, und danach baden wir, damit du richtig nett und sauber wirst.«
»Ja, so machen wir das«, sagte Hanna.
»Aber du, darüber sollten wir mit niemandem reden, finde ich. Das soll unser kleines Geheimnis bleiben …«
»Okay«, sagte Hanna. »Ich verspreche dir, alles genau so zu machen, wie du gesagt hast. Ich werde nie mehr ungezogen sein, das habe ich beschlossen.«
»Das ist sehr
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