Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
ohne dass etwas Neues dabei herausgekommen war. Sie unternahmen einen kurzen Spaziergang zur Wohnung der Johanssons in der Götgatan. Ihre Befürchtungen bestätigten sich nicht. Es stellte sich heraus, dass sowohl Jennifers Mutter als auch ihre Schwester zu Hause waren und glücklicherweise keinen Besuch hatten. Lena Johansson wirkte vergleichsweise nüchtern, und vielleicht lag es daran, dass sie heute noch wirrer und heruntergekommener aussah als am Sonntag.
»Danke, dass Sie auf uns gewartet haben«, begann Sjöberg. »Tut mir leid, dass es so spät geworden ist.«
Sie gingen ins Wohnzimmer und stellten sich Elise vor, die auf dem Sofa kauerte und die Arme um ihre Knie geschlungen hatte. Sie sah verheult aus und mied jeglichen Augenkontakt.
Sjöberg stellte den MP 3-Spieler auf den Couchtisch und stellte fest, dass ihn jemand saubergewischt hatte, seitdem sie das letzte Mal hier gewesen waren. Er hatte das Gefühl, dass das Mädchen nach dem Fest am vorhergehenden Abend alles ein bisschen auf Vordermann gebracht hatte. Ihre Mutter sah schlaftrunken aus und hatte sich mit ihrem ungekämmten Haar in das andere Ende des Sofas sinken lassen. Elise schnipste mit einer hastigen Bewegung eine Zigarette aus der Schachtel, die vor ihrer Mutter auf dem Tisch lag, und zündete sie mit zittrigen Fingern an. Die Mutter schien es nicht zu bemerken, oder vielleicht kümmerte es sie auch gar nicht.
»Wie geht es Ihnen heute?«, fragte Sjöberg vorsichtig. »Es muss sehr schwer für Sie sein …«
Elise richtete ihren Blick auf das schmutzige Wohnzimmerfenster. Sie schien nicht auf die Frage zu reagieren, sodass Sjöberg sich der Mutter zuwandte.
»Ja«, antwortete sie mit unsicheren Augen und einem beinahe einschmeichelnden Gesichtsausdruck.
Vielleicht bemühte sie sich, so zu reagieren, wie sie glaubte, dass es von ihr erwartet wurde. Vielleicht war die Trauer in ihrem Inneren viel größer, als sie nach außen zeigte. Vielleicht empfand sie gar keinen Schmerz. Es war unmöglich zu wissen, was sich im Inneren dieses Menschen abspielte. Gewöhnt an herablassende Blicke oder vielleicht schon vollständig abgestumpft nach jahrelangem Alkoholmissbrauch. Diese Katastrophe war vielleicht nur eine in einer ganzen Reihe von Schicksalsschlägen, die sie im Laufe der Jahre erleiden musste.
»Man weiß nicht … man weiß nicht so recht, was man tun soll.«
Elise starrte, anscheinend unberührt von dem Gespräch, aus dem Fenster. Sjöberg studierte ihr Profil und staunte über die Ähnlichkeit mit ihrer Schwester. Wunderte sich über die Launen der Natur, zwei so schöne Töchter entsprungen aus einem Menschen wie Lena Johansson. Lena Johansson konnte nie eine Schönheit gewesen sein. Selbst wenn man über die Falten, die verschwollenen Augen und die grobporige, narbige Haut hinwegsah, konnte man den Rest höchstens als Mittelmaß bezeichnen.
»Nein. Es muss unheimlich schwierig sein, sich nach so einem Schlag wieder aufzurichten. Wir tun alles, um den Täter festzunehmen, falls das irgendwie ein Trost sein kann. Deshalb müssen wir Ihnen ein paar Fragen stellen, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen.«
»Doch, das werden wir schon schaffen. Oder, Elise? Wir müssen dem Kommissar jetzt helfen.«
Sie warf einen flehenden Blick zu ihrer Tochter hinüber, bekam aber keine Antwort. Elise griff nach dem Aschenbecher auf dem Tisch, zog ihn zu sich hin und platzierte ihn auf ihren Knien.
»Erzähl mir von ihrem Freund, Elise«, begann Sjöberg. »Sie hatte doch einen Freund, oder?«
Elise wand sich ein wenig auf dem Sofa und antwortete leise, während ihre Blicke zwischen der Zigarette und dem Aschenbecher hin und her flackerten:
»Er heißt Jocke. Er ist vierundzwanzig, glaube ich. Aber ich weiß nicht, ob sie immer noch zusammen sind. Sie waren am Freitag eigentlich verabredet, aber wenn Sie mich fragen, hatte sie nicht vor hinzugehen.«
»Hat sie das gesagt?«
»Sie hat gesagt, dass sie ihn vielleicht treffen würde. Wenn sie Lust drauf hätte.«
»Bist du Jocke mal begegnet?«
»Nein.«
»Was hat sie von ihm erzählt?«
»Nichts Bestimmtes, soweit ich mich erinnere. Dass er nett war.«
»Habt ihr euch nahegestanden, du und Jennifer?«
»Kann ich nicht so genau sagen. Ich glaube, nicht. Wir teilen … teilten uns ein Zimmer.«
Elise zog ein paarmal tief an der Zigarette und ließ den Rauch in kleinen, wohlgeformten Ringen aus dem Mund entweichen. Ein abstruser Gedanke fuhr Sjöberg durch den Kopf: Rauchen steht dicken
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