Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
nichts fähig war«, sagte Sjöberg. »Dass sie ein Rohr im Wind war. Das sie umhergeweht wurde, ohne ihr Schicksal beeinflussen zu können.«
»Hast du dieses Bild von ihr bekommen? Dass sie sich wie ein Schaf von anderen umhertreiben ließ?«
»Nein, so ist es nicht. Aber ganz gleich, in was sie da hineingeraten war, sie war nicht schuld daran.«
»Sie war sechzehn. Noch ein Kind. Wir holen ihn uns, Conny.«
»Ja, wir holen ihn uns«, pflichtete Sjöberg ihm bei.
*
Als Barbro am Montagabend nach Hause in ihre Wohnung an der Dr Abelins Gata kam, hatte es bereits zu dämmern begonnen. Sie war müde, hungrig und enttäuscht gewesen. Nachdem sie einen Happen gegessen hatte, war sie nur noch ins Bett gefallen und hatte die ganze Nacht ohne Unterbrechung geschlafen.
Als sie aufwachte, war sie ausgeruht und zornig. Vor allem auf sich selbst, weil sie gestern nicht früher losgekommen war und deshalb ihre Suche bereits nach der Gartenkolonie in Zinkensdamm beenden musste. Aber auch auf die ganze Situation. Wenn es sich tatsächlich so verhielt, dass ein dreijähriges Mädchen von seinen Eltern verlassen worden war – wie konnte es dann passieren, dass die Polizei das nicht ernster nahm und die Verantwortung an einen überlasteten Telekommunikationsanbieter weiterreichte? Im Grunde kannte sie die Antwort, sie war ja auch nicht besonders kompliziert. Ihr fehlte die Glaubwürdigkeit, und das vielleicht auch mit Recht. Hoffentlich mit Recht, konnte man in diesem Fall nur sagen. Sie wollte ja nichts lieber, als dass Hanna wirklich nur ein Kind mit einer lebhaften Fantasie war, das Telefonstreiche spielte und Räuberpistolen zum Besten gab, während Mama in der Waschküche war. Auf der anderen Seite missfiel Barbro der Gedanke, dass sie möglicherweise als verwirrte Oma angesehen wurde, obwohl sie bis vor sieben Jahren noch eine hart arbeitende Akademikerin und eine Stütze der Gesellschaft gewesen war. Sie fühlte sich kurz gesagt verletzt. Auf die Zehen getreten.
Mittlerweile waren vierundzwanzig Stunden vergangen, seit sie mit diesem Nyman von der Bezirkskripo gesprochen hatte, und Barbro hatte nicht die Absicht, ihn in Ruhe zu lassen. Und am besten erledigte sie es gleich, bevor ihr Zorn verraucht war. Sie musste an eine Geschichte denken, die sie neulich im Internet gelesen hatte, über einen Mann, der nachts aufgewacht war und entdeckt hatte, dass sich in seiner Garage Diebe befanden. Er rief die Polizei an und schilderte ihnen die Situation, aber sie antworteten, dass sie viel zu tun hätten und im Augenblick kein Streifenwagen verfügbar sei. Eine Weile später rief der Mann erneut an und sagte, dass sich die Sache erledigt habe, da er die Eindringlinge mittlerweile erschossen habe. Zwei Minuten später waren sechs Streifenwagen aufgetaucht, und die Bösewichte wurden festgenommen. »Hatten Sie nicht gesagt, dass Sie die Diebe erschossen hätten?«, fragte einer der Polizisten. »Hatten Sie nicht gesagt, dass keine Streifenwagen verfügbar seien?«, fragte der Mann zurück. Barbro schwebte vor, dasselbe zu tun. Sie könnte irgendetwas zusammenlügen, etwa dass das Mädchen erzählt habe, ihre Mutter würde tot in der Wohnung liegen. Aber sie ließ die Idee wieder fallen. Wenn sich herausstellte, dass alles nur ein Missverständnis war, könnte sie wegen falschen Alarms angezeigt werden, und dieses Risiko wollte sie nicht eingehen.
Sie stellte sich vor, wie Nyman sie allein schon wegen ihrer Stimme in eine Schublade für hysterische Miss-Marple-Kopien gesteckt hatte, doch diese Flausen würde sie ihm austreiben. Stattdessen würde sie den giftigen Terrier geben. Immer noch im Pyjama, straffte sie den Rücken und griff mit gefletschten Zähnen nach dem Hörer.
»Hier ist Barbro Dahlström. Wir haben gestern miteinander gesprochen, wie Sie sich sicherlich erinnern, und jetzt möchte ich wissen, ob Sie dieses Gespräch geortet haben, das ich am Sonntagabend geführt habe.«
Fakten, Fakten, Fakten, kein Geplapper von kleinen, einsamen Mädchen – dadurch würde sie nur gefühlsduselig und wenig vertrauenswürdig wirken.
»Wir haben eine Anfrage beim Anbieter gemacht«, antwortete Nyman.
Barbro fragte sich, ob er die Wahrheit sagte.
»Wie ich schon sagte, kann es bis zu einer Woche dauern, wenn sie viel zu tun haben«, fuhr er fort, »was meistens der Fall ist.«
»Sie haben auch gesagt, dass es höchstens vierundzwanzig Stunden dauert, wenn der Fall dringend ist. So wie dieser«, fügte Barbro hinzu.
»Na
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