Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
einfacheren Tätigkeiten hätte. Sandéns Tochter hat eine leichte geistige Behinderung und sucht gerade nach einer Arbeit. Gib ihr eine Chance.«
Der Polizeidirektor brummelte etwas Unverständliches in seinen Bart und wechselte das Thema.
»Und der Vitabergsfall?«, fragte er. »Wie geht es damit voran?«
So schnell kann es gehen, dachte Sjöberg. Dass Brandt keine Lust hatte, Personalfragen zu diskutieren, war eine Sache, aber dass er sich für den Mord an Jennifer Johansson nicht länger als eine halbe Minute interessierte, ärgerte ihn. Keine klugen Detailfragen, die Sjöbergs Gedanken in eine produktive Richtung gelenkt hätten, keine Vorschläge, was man noch tun könnte. Roland Brandt war, in Sjöbergs Augen, ein inkompetenter Aktenverschieber, wenn er überhaupt etwas tat. Meistens schien er nur herumzustolzieren und wichtig auszusehen. Doch bei allen Nachteilen hatte das auch seine guten Seiten. Es war zu vermuten, dass er sich auf Sjöbergs Kompetenz verließ, eine Ermittlung zu leiten, und es war angenehm, nicht ständig einen Polizeidirektor in den Hacken zu haben.
»Darüber musst du mit Westman sprechen«, antwortete Sjöberg auf Brandts Frage, »aber dort sieht es ungefähr genauso aus.«
»Ja, genau darüber wollte ich auch mit dir sprechen«, fuhr Brandt fort. »Wie kommt sie eigentlich zurecht, diese Westman?«
Eigentlich? Sjöberg begann Unheil zu wittern.
»Hervorragend«, antwortete Sjöberg schnell. »Petra Westman kommt ganz hervorragend zurecht. Sonst hätte ich ihr ja nicht die Verantwortung für die Ermittlungen übertragen. Außerdem macht sie öfter Überstunden als die meisten anderen, sodass die Ermittlungen wahrscheinlich schneller vorangehen als bei jemand anderem, bei mir selbst zum Beispiel«, fügte er mit einem Lachen hinzu, um der Brisanz der Situation, die er instinktiv verspürte, die Spitze zu nehmen.
Brandt begann ebenfalls zu lachen. Ein »Wir-unter-uns-Männern«-Lachen, dachte Sjöberg, der nicht die Absicht hatte, sich auf diese Weise mit dem Polizeidirektor gemein zu machen.
»Ich finde allerdings, dass sie irgendwie einen labilen Eindruck macht, oder was sagst du dazu?«
»Ich sage, dass sie das auf keinen Fall macht«, erwiderte Sjöberg scharf.
Nicht in diesem Ton, sagte er zu sich selbst. Mach dir den Polizeidirektor nicht wegen eines dummen Missverständnisses zum Feind.
»Dieses Interview gestern«, fuhr Brandt fort, »mit dem Aftonbladet …«
»Hat sie meiner Meinung nach hervorragend gemacht«, unterbrach ihn Sjöberg, jetzt allerdings in einem freundlicheren Tonfall.
»Also, ich weiß nicht. Ihre Rhetorik war ein bisschen zweifelhaft, würde ich sagen. Man gewinnt geradezu den Eindruck, dass die Polizei ihre Arbeit nicht richtig macht. Und du weißt ja, Conny, was ich davon halte, wenn die Polizei in ein schlechtes Licht gerückt wird.«
»Das war ganz eindeutig die Journalistin, die diese Perspektive gewählt hat. Petra hat selbstverständlich ganz andere Worte gewählt.«
»Du verlässt dich auf sie?«
»Voll und ganz«, antwortete Sjöberg aufrichtig.
»Dann finde ich, dass du dir mal eine Mail genauer anschauen solltest, die ich vor kurzem von ihr bekommen habe«, sagte Brandt in einem Tonfall, der, da war sich Sjöberg sicher, Ausdruck reinster Schadenfreude war. »Ich leite sie an dich weiter.«
Er spürte, wie seine Handflächen zu schwitzen begannen, als er den Bildschirm anschaltete. Was um alles in der Welt konnte Petra bloß angestellt haben? Er begann damit, den Absender und die Versandzeit der weitergeleiteten Mail zu kontrollieren. Petra war die Absenderin, daran konnte kein Zweifel herrschen. Und die Nachricht war am vorhergehenden Abend um 23:58 Uhr abgeschickt worden, was Sjöberg beunruhigte, denn um diese Uhrzeit wurden zweifellos nicht die klügsten Entscheidungen gefällt.
Er holte tief Luft, lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Nachrichtenfenster und begann den Text zu lesen. Kaum zu glauben, dass Petra das geschrieben haben sollte. Aber das hatte sie nachweislich getan. Brandt saß schweigend am anderen Ende der Leitung und wartete ganz offensichtlich auf eine Reaktion. Ohne ein Wort öffnete Sjöberg das angehängte Dokument und studierte es geschätzte drei Sekunden lang, bevor seine Augen begriffen, was sie dort sahen. Dann schloss er das Dokument so schnell er konnte und ließ ein tiefes Seufzen hören.
»Na?«, hörte er Brandts erwartungsfrohe Stimme in der Leitung.
»Ich … ich weiß nicht, was ich sagen
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