Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
sie nahm. »Hier gibt es kein Frühstück. Raus!«
»Klar, bin schon auf dem Weg«, sagte der Mann. »Keine Panik.«
Sandén beobachtete ihn schweigend, bis er eine Minute später mit einem Augenzwinkern in Jennys Richtung die Wohnung verließ. Sie antwortete darauf mit einem betrübten Lächeln und setzte sich auf die Bettkante. Sandén setzte sich neben sie. Es war ihm schon immer schwergefallen, mit seiner ältesten Tochter zu schimpfen, und dieses Mal war er sich nicht sicher, ob es überhaupt nötig war.
»Was machst du denn, Jenny?«, fragte er vorsichtig. »Was war das denn für einer?«
»Das war Dejan«, sagte Jenny.
»Dejan? Wo hast du den denn aufgegabelt?«
»Er ist ein Freund von Pontus«, antwortete sie, ohne ihm in die Augen zu sehen.
»Ein Freund von Pontus? Was zum …? Du hast doch gestern Abend noch hier gesessen und geweint, weil du so traurig darüber warst, dass Pontus abgehauen ist. Und jetzt schleppst du einen seiner Freunde hier an! Und das war wohl nicht das erste Mal, oder?«
Jenny schüttelte den Kopf.
»Pontus darf dich trotzdem nicht schlagen, aber dass er wütend wird, ist doch klar. Verstehst du das, Jenny?«
Sie antwortete nicht, sondern lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Er streichelte sie sanft über die Wange.
»So kannst du nicht weitermachen«, fuhr Sandén fort. »Das ist doch keine Liebe, wenn man zwei Männer gleichzeitig hat. Und der schien ja ein echter Macho zu sein. Triff dich nicht mehr mit ihm, Jenny, das musst du mir versprechen.«
Er hob ihr Gesicht, damit er ihr in die Augen sehen konnte.
»Kannst du mir versprechen, dass du Dejan nicht mehr siehst?«
»Ich glaube schon«, antwortete Jenny und sah aus, als würde sie es auch so meinen.
»Und dann musst du mir versprechen, die Tür hinter dir abzuschließen. Immer.«
»Versprochen. Aber ihr dürft nicht mehr herkommen, ohne vorher anzurufen.«
»Okay«, antwortete Sandén resigniert. »Aber was für ein Glück, dass ich es diesmal nicht so gemacht habe, sonst hätte ich die Sache mit Dejan ja gar nicht erfahren. Und dann hätte ich dir auch nicht helfen können. Oder?«
»Ich möchte keine Hilfe.«
»Ich bin dein Papa. Ich helfe dir, wenn ich finde, dass es nötig ist.«
»Dann besorg mir einen Job.«
»Ich versuche es, Jenny, das weißt du. Und Mama auch. Es wird sich eine Lösung finden. Es braucht einfach nur seine Zeit.«
Nachdem er noch eine Weile mit seiner Tochter verbracht und ein zweites Mal an diesem Tag gefrühstückt hatte, musste er sie verlassen. In düsterer Stimmung setzte er sich ins Auto, und von den endlosen Staus auf dem Drottningholmsvägen wurde seine Laune auch nicht besser.
Dienstagvormittag
S ie hatte einen Entschluss gefasst. Sie wollte mit Nina sprechen, ihr erzählen, was sie angestellt hatte, und sie um Rat bitten. Aber wahrscheinlich war es doch keine so gute Idee. Mit Nina konnte man sich über alltägliche Dinge unterhalten: Schule, Freundinnen, Klatsch und Tratsch, Klamotten, Partys. Aber ernsthafte Themen schüttelte sie nur mit einem Lachen von sich ab. Für sie war nichts ernst genug, um sich darin zu vergraben, sich darin zu »suhlen«, wie sie es ausdrückte. Und sie schien Elise ähnlich einzuschätzen, denn die beiden waren fast immer zusammen.
Nina hatte angerufen, nachdem sie von Jennifer gehört hatte, aber es war ein kurzes Gespräch gewesen, sie musste schnell wieder woanders hin. Elise konnte es vor sich sehen, wie sich in den Schulpausen alles um Nina scharte und wie sie beflissen alle Fragen zu dem Mord beantwortete. Aber sich zu erkundigen, wie Elise sich fühlte, das schaffte sie nicht. Und über diese Brieftaschengeschichte würde sie nur lachen, da war sich Elise sicher. Aber Elise selbst konnte es nicht einfach so abtun. Sie fühlte sich schuldig wegen des Verbrechens und schämte sich wegen dieser Hurennummer. Oder wie auch immer man das nennen sollte.
Nach großen Zweifeln und einer weiteren schlaflosen Nacht hatte sie einen Entschluss gefasst. Wenigstens ein Mal würde sie das einzig Richtige tun. Sie würde mit dieser verdammten Brieftasche zur Polizei gehen und sie dort abgeben. Sie würde sagen, dass sie sie gefunden habe, dass sie voller Geld sei, sie aber nichts angerührt habe. Dass sie keine einzige Krone gestohlen habe. Was sie ja auch nicht hatte. Sie hatte die Brieftasche ein paar Tage gehabt, hatte überlegt, ob sie sich das Geld nehmen sollte, es aber nicht getan, hatte ihre Verbrecherkarriere abgebrochen, bevor sie
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