Nur Der Tod Bringt Vergebung
Gespräch.
Sie wandten sich um. Als sie Schwester Athelswith keuchend herannahen sah, bekam Fidelma ein schlechtes Gewissen.
«Ich dachte, wir wollten uns am Nordtor treffen», stieß die Schwester atemlos hervor.
«Es tut mir leid», sagte Fidelma zerknirscht. «Wir haben uns wohl vom bunten Markttreiben ablenken lassen.»
Schwester Athelswith verzog tadelnd das Gesicht.
«Ihr tätet gut daran, diesen Sündenpfuhl zu meiden, Schwester. Doch da Ihr in der Gegend fremd seid, kann ich auch verstehen, daß unsere northumbrischen Märkte Euch vielleicht noch etwas Neues bieten können.»
Sie drehte sich um und führte sie aus dem Teil des Klostergeländes, das für den Markt zur Verfügung gestellt worden war. Gemeinsam gingen sie östlich auf den Kamm der dunklen Klippen zu, die den Hafen von Witebia überragten. Die Sonne stand bereits tief am westlichen Himmel, und die Schatten wurden immer länger.
«Nun, Schwester Athelswith …», begann Fidelma. Aber die domina des Gästehauses unterbrach sie mit noch immer atemloser Stimme.
«Ich war bei Bruder Edgar, unserem Medikus. Er wird noch in dieser Stunde die Autopsie vornehmen.»
«Gut», nickte Bruder Eadulf zufrieden. «Ich bezweifle zwar, daß er noch etwas finden wird, was uns entgangen ist, aber es ist stets das beste, wenn die Leiche sorgfältig untersucht wird.»
«Als Verwalterin des Gästehauses», ergriff Fidelma das Wort, «weist Ihr den Gästen ihre cubicula zu. Verfahrt Ihr dabei nach bestimmten Regeln?»
«Viele unserer Gäste haben rund um das Kloster ihre Zelte aufgeschlagen. Trotzdem sind unsere Schlafsäle überfüllt. Die cubicula sind ganz besonderen Gästen vorbehalten.»
«Und Ihr habt Äbtissin Étain ihre Kammer zugewiesen?»
«Jawohl.»
«Auf welcher Grundlage?»
Schwester Athelswith blinzelte verwirrt.
«Ich verstehe Eure Frage nicht.»
«Gab es irgendwelche besonderen Gründe, Étain von Kildare gerade in diesem cubiculum unterzubringen?»
«Nein. Die Kammern werden den Gästen nach ihrem Rang zugeteilt. Bischof Colmán zum Beispiel bat darum, daß man Euch wegen Eures Ranges ebenfalls ein cubiculum gibt.»
«Ich verstehe. Und wer hatte die beiden cubicula neben der Äbtissin?»
Schwester Athelswith brauchte nicht lange nachzudenken.
«Auf der einen Seite Äbtissin Abbe von Coldingham, auf der anderen Bischof Agilbert, der Franke.»
«Also eine überzeugte Verfechterin der Kirche Columbans», sagte Bruder Eadulf, «und ein erklärter Anhänger Roms.»
Fidelma hob die Augenbrauen und sah ihn fragend an. Eadulf zuckte mit den Achseln.
«Ich sage dies nur, Schwester Fidelma, falls Ihr nach pro-römischen Schuldigen sucht.»
«Ich suche nach der Wahrheit, Bruder», entgegnete Fidelma gereizt und wandte sich dann wieder der sichtlich verwirrten Athelswith zu: «Wird irgendwie festgehalten, wer die cubicula Eurer Gäste besucht? Oder kann jedermann nach Gutdünken das Gästehaus betreten und auch wieder verlassen?»
Schwester Athelswith hob die Schultern.
«Warum sollten wir so etwas festhalten? Im Hause Gottes kann jeder nach Belieben kommen und gehen.»
«Männer und Frauen?»
«Streoneshalh ist ein Doppelhaus. Männer und Frauen dürfen einander in ihren cubicula besuchen, wann immer sie wollen.»
«Ihr habt also keine Kenntnis davon, wer die Äbtissin Étain in ihrer Kammer besucht hat?»
«Was den heutigen Tag betrifft, weiß ich von sieben Besuchern», antwortete die ältere Schwester selbstzufrieden.
Fidelma versuchte, ihre Aufregung zu verbergen.
«Und wer waren diese sieben?» fragte sie betont ruhig.
«Bruder Taran, der Pikte, und Schwester Gwid, die Sekretärin der Äbtissin, kamen bereits am Morgen. Gegen Mittag erschienen Äbtissin Hilda und Bischof Colmán. Später verlangte dann ein Bettler, ein Landsmann von Euch, Schwester Fidelma, die Äbtissin zu sehen. Er machte ein solches Spektakel, daß er mit Gewalt fortgeschafft werden mußte. Es war der gleiche Bettler, der gestern morgen auf Befehl Äbtissin Hildas ausgepeitscht worden war, weil er die Ruhe des Klosters gestört hatte.»
Sie hielt inne.
«Ihr habt von sieben Personen gesprochen», drängte Schwester Fidelma sanft.
«Fehlen noch die Brüder Seaxwulf und Agatho. Seaxwulf ist der Sekretär von Wilfrid von Ripon.»
«Und wer ist Agatho?»
Es war Eadulf, der darauf die Antwort wußte.
«Agatho ist ein Priester im Dienst des Abts von Icanho. Jemand hat ihn mir heute morgen als ziemlich eigenwilligen Burschen beschrieben.»
«Ein Mitglied
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