Nur Der Tod Bringt Vergebung
Zeitpunkt überein, zu dem die Botin in die Versammlungshalle kam, um Äbtissin Hilda von dem Vorfall zu unterrichten», bestätigte Eadulf.
«Ich war ebenfalls dort», nickte Fidelma. «Und Ihr, Schwester Athelswith, habt nichts verändert? Étains Zelle blieb genauso, wie Ihr sie vorgefunden habt?»
Die domina des domus hospitale nickte mit Nachdruck.
«Ich habe nichts verändert.»
Schwester Fidelma biß sich nachdenklich auf die Lippe.
«Nun, die Schatten werden länger. Ich glaube, wir sollten in die Abtei zurückkehren», sagte sie und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: «Und dann sollten wir Priester Agatho ausfindig machen und hören, was er zu sagen hat.»
In dem Augenblick kam aus der Richtung des Klosters eine Gestalt durch die Dämmerung auf sie zugeeilt. Es war einer der Klosterbrüder, ein gedrungener, mondgesichtiger junger Mann.
«Ah, Bruder, Schwestern! Äbtissin Hilda hat mich geschickt, um Euch zu suchen.»
Er blieb stehen, um Atem zu schöpfen.
«Was gibt es?» fragte Fidelma.
«Ich soll Euch sagen, daß Äbtissin Étains Mörder gefunden ist und bereits hinter Schloß und Riegel sitzt.»
VIII
Dicht gefolgt von Bruder Eadulf betrat Fidelma das Gemach der Äbtissin. Hilda von Witebia saß am Kamin. Vor ihr stand ein großer Bursche mit blondem Haar und einer Narbe im Gesicht, in dem Fidelma sofort den jungen Mann erkannte, den Bruder Taran ihr im sacrarium gezeigt hatte: Alhfrith, Oswius erstgeborenen Sohn. Als sie ihn jetzt von nahem sah, dachte sie sofort, daß die Narbe gut zu ihm paßte, denn seine Gesichtszüge waren zwar nicht häßlich, wirkten aber auf merkwürdige Weise grausam. Vielleicht lag es daran, daß seine Lippen auffallend schmal waren und seine Augen eisblau, kalt und leblos aussahen – wie die Augen einer Leiche.
«Das ist Alhfrith von Deira», stellte die Äbtissin ihren Besucher vor.
Bruder Eadulf verbeugte sich tief, wie es die Art der Sachsen war, wenn sie ihren Prinzen gegenübertraten. Fidelma hingegen blieb aufrecht stehen und schenkte ihm nicht mehr als ein kurzes, ehrerbietiges Nicken. Anders hätte sie es auch nicht getan, wenn sie einem Provinzkönig in Irland begegnet wäre, denn ihr Rang berechtigte sie, selbst mit dem Hochkönig auf gleicher Stufe zu verkehren.
Alhfrith streifte Schwester Fidelma mit einem kurzen, gleichgültigen Blick und wandte sich dann auf sächsisch an Bruder Eadulf. Fidelma konnte nur wenig Sächsisch, und Alhfrith sprach so schnell und mit einem so breiten Akzent, daß sie kaum etwas verstand. Sie hob eine Hand und unterbrach den Thronerben von Northumbrien.
«Es wäre sicherlich besser», sagte sie auf lateinisch, «wenn wir uns auf eine Sprache einigen könnten, die wir alle beherrschen. Ich kann kein Sächsisch. Wenn wir keine gemeinsame Sprache finden, käme Euch, Bruder Eadulf, die Aufgabe zu, für mich zu dolmetschen.»
Alhfrith hielt in seinem Redefluß inne und machte durch seinen Gesichtsausdruck mehr als deutlich, daß er es nicht gewohnt war, unterbrochen zu werden.
Äbtissin Hilda unterdrückte ein Lächeln.
«Da Alhfrith kein Lateinisch kann», sagte sie, «schlage ich vor, daß wir miteinander Irisch sprechen. Ich denke, das ist eine Sprache, derer wir alle mächtig sind.»
Mit zusammengezogenen Augenbrauen wandte sich Alhfrith an Fidelma.
«Columbans Mönche haben mich ein wenig Irisch gelehrt, als sie unserem Land das Christentum brachten. Wenn Ihr kein Sächsisch könnt, werde ich eben Irisch sprechen.» Er sprach langsam und mit einem starken Akzent, aber seine Kenntnisse reichten aus, um sich verständlich zu machen.
Mit einer Handbewegung forderte Fidelma ihn auf fortzufahren. Verärgert mußte sie jedoch feststellen, daß er sich wieder Eadulf zuwandte, um seine Worte an ihn zu richten.
«Es gibt keinen Grund mehr, Eure Untersuchung fortzusetzen. Der Übeltäter sitzt hinter Schloß und Riegel.»
Bruder Eadulf wollte gerade antworten, als Schwester Fidelma ihm das Wort abschnitt.
«Und werdet Ihr uns auch verraten, wer dieser Übeltäter ist?»
Alhfrith blinzelte erstaunt. Sächsische Frauen kannten den ihnen gebührenden Platz. Aber er hatte schon mehrfach Bekanntschaft mit der Kühnheit irischer Frauen geschlossen. Nicht zuletzt war Fin, seine Stiefmutter, eine Beispiel für die Anmaßung der Irinnen gewesen, sich den Männern ebenbürtig zu fühlen. Er unterdrückte die scharfe Erwiderung, die ihm auf den Lippen lag, und beschränkte sich darauf, Fidelma strafend
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