Nur Der Tod Bringt Vergebung
ihr Körpergewicht zuließen.
«Ah, Schwester Fidelma! Bruder Eadulf!» Heftig keuchend blieb sie stehen.
«Was gibt’s, Schwester?» fragte Fidelma.
«Der König …», antwortete Athelswith, als sie etwas Atem geschöpft hatte. «Der König verlangt Euch zu sehen.»
Äbtissin Abbe seufzte.
«Was mag mein Bruder vorhaben? Laßt uns alle in die Abtei gehen und herausfinden, was er auf dem Herzen hat.»
Bruder Taran hüstelte verlegen.
«Ich muß Euch bitten, mich zu entschuldigen. Ich habe noch etwas im Hafen zu erledigen. Ich treffe Euch dann später im sacrarium. »
Er wandte sich um und eilte mit raschen Schritten dem Hafen zu.
XVII
In der Abtei angekommen, erfuhren Fidelma und Eadulf, daß der König auf sie gewartet habe, schließlich jedoch ins sacrarium gerufen worden sei, wo man auch Äbtissin Abbe erwartete. Die Synode ging ihrem Ende entgegen, und die Abschlußreden beider Seiten standen unmittelbar bevor.
Eadulf schlug vor, sich ebenfalls ins sacrarium zu begeben, um das Ende der Synode zu sehen und anschließend mit Oswiu zu sprechen.
Fidelma war so in Gedanken vertieft, daß Eadulf seinen Vorschlag mehrmals wiederholen mußte, ehe sie ihn überhaupt zur Kenntnis nahm.
«Ich nehme an, jeder in der Abtei kennt das defectorum mit dem Ausgang zu den Klippen?» fragte sie die domina des domus hospitale. Athelswith nickte.
«Ja, das ist kein Geheimnis.»
«Und was ist mit den Gästen?» hakte Fidelma nach. «Ich zum Beispiel habe bis heute nichts davon gewußt.»
«Richtig», sagte Schwester Athelswith. «Nur unsere männlichen Gäste werden ausdrücklich daraufhingewiesen, weil das defectorum den Männern vorbehalten ist. Unsere Brüder ziehen sich lieber dorthin zurück, anstatt das defectorum gegenüber vom monasteriolum zu benutzen.»
«Verstehe. Und was ist, wenn sich zufällig eine Frau in den Tunnel verirrt? Ich habe am Eingang kein Hinweisschild gesehen.»
«Die meisten Schwestern benutzen das Gebäude gegenüber vom monasteriolum. Sie kommen gar nicht ins hypogeum, es sei denn, sie arbeiten in der Küche. Und wer in der Küche arbeitet, weiß Bescheid. Für ein Hinweisschild gibt es also keine Notwendigkeit.»
Nachdenklich wandte sich Schwester Fidelma um und folgte Eadulf ins sacrarium.
Die Stimmung dort war äußerst angespannt. Äbtissin Hilda stand vorn und sprach zu der Versammlung.
«Brüder und Schwestern in Christi», sagte sie, als Fidelma und Eadulf leise durch eine Seitentür in den Saal schlüpften, «kommen wir jetzt zu den abschließenden Stellungnahmen.»
Ohne Umschweife erhob sich Colmán von seinem Stuhl. Er hatte beschlossen, als erster zu sprechen – eine unkluge Entscheidung, wie Fidelma fand, denn wer zuletzt spricht, findet stets am meisten Gehör.
«Brüder und Schwestern, in den letzten Tagen habt Ihr gehört, warum die Kirche Columbans an ihrer Datierung des Osterfests festhält. Unsere Kirche beruft sich auf den Apostel Johannes, den Sohn des Zebedäus, der das Galiläische Meer verließ, um dem Messias zu folgen. Er war der Jünger, den Jesus am meisten lieb hatte und der beim Letzten Abendmahl an der Brust Jesu lag. Als der Sohn Gottes schließlich am Kreuz sein Leben ließ, nahm er seine letzte Kraft zusammen, um Johannes Maria, seine Mutter, anzuvertrauen. Johannes war es auch, der am Morgen der Auferstehung Petrus voraus zum Grab lief und es leer fand. Er war auch der erste, der den Auferstandenen am See Tiberias erkannte. Johannes war der von Christus Gesegnete. Als Jesus das Wohlergehen seiner Mutter und seine Familie in Johannes’ Hände legte, vertraute er ihm auch seine Kirche an. Deshalb heißt unser Weg zu Christus auch heute noch Johannes.»
Unter dem beifälligen Gemurmel der Anhänger Columbans nahm Colmán wieder Platz.
Ein selbstgefälliges Lächeln auf den Lippen, erhob sich Wilfrid von Ripon.
«Wir haben gehört, daß die Kirche Columbans sich auf den Apostel Johannes beruft. Mit ihm stehen und fallen alle ihre Sitten und Gebräuche. Ich aber sage Euch, daß sie fallen müssen.»
Wütende Empörung erhob sich in den Reihen der Anhänger Columbans.
Äbtissin Hilda hob beschwichtigend die Hände.
«Wir müssen Wilfrid von Ripon die gleiche Höflichkeit entgegenbringen, die wir auch Colmán, dem Bischof von Northumbrien, gewährten», ermahnte sie die Versammlung.
Wilfrid lächelte so triumphierend wie ein Jäger, der sich seiner Beute sicher wähnt.
«Das Osterfest, wie wir es kennen, hat seinen Ursprung in Rom,
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