Nur Der Tod Bringt Vergebung
und Schwestern scheinen wohl eine sofortige Entscheidung erwartet zu haben. Habt Ihr bemerkt, daß Äbtissin Abbe schon vor König Oswius Schlußwort gegangen ist und daß Bruder Taran an der Versammlung überhaupt nicht teilgenommen hat?»
Doch Fidelma war schweigsam und in Gedanken vertieft. Auf dem Weg zu Äbtissin Hildas Gemächern sagte sie kaum ein Wort.
Oswiu erwartete sie bereits. Sein Gesicht war blaß, und seine Gesichtszüge wirkten angespannt.
«Da seid Ihr ja endlich!» sagte er. «Ich habe den halben Vormittag damit verbracht, auf Euch zu warten. Wo wart ihr? Ich wollte vor Abschluß der Synode unbedingt noch einmal mit Euch sprechen.»
Fidelma ließ sich von seinem gereizten Tonfall nicht beeindrucken.
«Hat man Euch berichtet, daß es noch einen weiteren Mord gegeben hat?»
Oswiu runzelte die Stirn.
«Einen weiteren Mord? Ihr meint Athelnoth?»
«Nein – Seaxwulf, Wilfrids Sekretär, ist ebenfalls ermordet worden.»
Oswiu schüttelte den Kopf.
«Ich verstehe das nicht. Gestern abend wurde Athelnoth umgebracht. Jetzt sagt Ihr mir, das Seaxwulf gestorben ist. Wieso das alles? Hilda meinte, zuerst hättet Ihr Athelnoth für den Mörder gehalten und geglaubt, er habe seinem Leben aus Reue selbst ein Ende gesetzt.»
Eadulfs Wangen röteten sich.
«Ich habe leider ein paar vorschnelle Schlußfolgerungen gezogen, mußte jedoch schon bald darauf erkennen, daß ich einem Irrtum erlegen war.»
Oswiu schnaubte empört.
«Ich hätte Euch sagen können, daß Ihr Euch irrt. Athelnoth war über jeden Zweifel erhaben.»
«Wieso das?» wollte Fidelma wissen.
«Weil er mein Vertrauter war. Ich habe Euch gesagt, daß wir in schwierigen Zeiten leben. Es gibt gewisse Kräfte, die mich entthronen wollen. Die Synode wollen sie nur dazu nutzen, im Königreich einen Bruderkrieg zu entfesseln. Folglich muß ich meine Augen überall haben. Athelnoth war einer meiner besten Gewährsmänner und zuverlässigsten Ratgeber. Gestern erst habe ich ihn zu meinem Heer geschickt, das sein Lager bei Ecga’s Tun aufgeschlagen hat.»
Eadulfs Augen blitzten.
«Deshalb war Athelnoth gestern den ganzen Tag fort und ist erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückgekehrt.»
Oswiu sah den sächsischen Mönch nachdenklich an, dann fuhr er fort:
«Athelnoth ist mit wichtigen Neuigkeiten heimgekehrt. Er konnte in Erfahrung bringen, daß man sich gegen mich verschworen hat. Die Aufständischen wollten mich töten und die Herrschaft im Königreich übernehmen. Mein Heer mußte sofort ausrücken, um ihrem Angriff zuvorzukommen.»
Fidelma wurde von Aufregung ergriffen.
«Jetzt wird einiges klar.»
«Klarer als Ihr denkt, Schwester», entgegnete Oswiu mit grimmiger Miene. «Heute morgen haben meine Wachen Than Wulfric und zwanzig seiner Krieger getötet. Sie haben versucht, durch den Tunnel, der von den Klippen in die Katakomben führt, heimlich in die Abtei einzudringen. Wie Ihr wißt, werden um Mitternacht bis zum morgendlichen Angelus alle Tore geschlossen, und in dieser Zeit dürfen sich in der Abtei keine waffentragenden Krieger befinden. Athelnoth war davon überzeugt, daß Wulfric in der Abtei einen Verbündeten hatte, der nur darauf wartete, ihm und den anderen Attentätern zu helfen und ihn zu meiner Kammer zu führen.»
«In der Tat, es wird mehr als klar», sagte Fidelma.
Stirnrunzelnd versuchte Eadulf, Fidelmas Gedanken zu lesen.
«Was meint Ihr damit?»
«Ganz einfach», erwiderte Fidelma. «Ich glaube, daß Wulfrics Verbündeter Taran, der Pikte, war.»
«Wie kommt Ihr darauf?» fragte Oswiu. «Warum sollte sich ein Pikte mit machthungrigen Northumbriern verbünden, die ihren König stürzen wollen?»
«Ich komme darauf, weil ich weiß, daß Taran mit Wulfric freundschaftlichen Umgang pflegte, uns jedoch, als wir ihn danach fragten, nur Lügen auftischte. Schon als ich Wulfric auf dem Weg nach Streoneshalh zum erstenmal sah, hatte ich den Eindruck, daß sich Wulfric und Taran kannten, was darauf schließen läßt, daß die Verschwörung von langer Hand geplant war. In Streoneshalh beobachtete ich Taran und Wulfric dann bei einem heimlichen Treffen, was Taran später heftig leugnete. Ich glaube, Taran wollte Northumbrien vernichtet oder zumindest von einem Bruderkrieg erschüttert sehen.»
«Aber warum?» fragte Oswiu erstaunt.
«Weil die Pikten, wie Ihr die Cruthin nennt, ein sehr nachtragendes Volk sind und ihr Haß ebenso tief wie langlebig ist. Taran erzählte mir einmal, sein Vater, ein Häuptling der
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