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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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nicht herumschnüffeln sollte, und das gesamte Publikum kreischt, dass sie es lassen
soll, aber sie geht trotzdem und streckt ihren Hals gerade so weit vor, dass irgendein geistesgestörter Irrer mit Eishockeyhelm ihren Kopf mit einer Machete abschlagen kann. Tu’s nicht. Tu’s nicht , konnte sie das unsichtbare Publikum schreien hören, als sie zu den Büschen ging und die blutroten Blüten beiseiteschob.
    »Sandy«, hörte sie die Stimme wieder rufen.
    »Mr. Lipsman«, rief sie, als sie den Theaterlehrer sah, der rücklings auf dem Boden lag.
    »Bitte helfen Sie mir.« Er versuchte, die Hände in ihre Richtung auszustrecken, wedelte jedoch lediglich hilflos mit den Armen und hätte sie um ein Haar ins Gesicht geschlagen.
    »Um Gottes willen, Gordon, was machen Sie denn hier?« Sandy versuchte, ihn hochzuziehen, aber seine feuchten Hände entglitten ihr mehrfach, und er landete immer wieder auf dem Rücken. Schließlich fanden seine Füße Halt, und er taumelte schwankend nach vorn, die Hände zu beiden Seiten ausgestreckt, als balanciere er auf einem Seil, bis er sich gegen Sandy fallen ließ. Sie stemmte ihre Füße auf das Pflaster und schaffte es nur durch schiere Willenskraft, nicht umzufallen.
    »Verzeihung«, sagte Gordon und versuchte, seine rot-gold gestreifte Krawatte zurechtzurücken.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Ich fühle mich nicht besonders.« In dem Bemühen, das Gleichgewicht zu wahren, packte er eine Hand voll Hibiskus. »Da habe ich beschlossen, mich hinzulegen. Und dann konnte ich nicht wieder aufstehen.« Er rülpste.
    Sofort erfüllte Whiskeygestank die Luft. »Sie sind betrunken!« Sandy wollte dem unangenehmen Geruch ausweichen, doch er hatte sie schon umhüllt.
    »Sie klingen wie meine Mutter.«
    »Gütiger Gott.« Sandy sah sich noch einmal auf dem leeren Parkplatz um und betete, dass noch irgendjemand zurückgeblieben war, obwohl sie wusste, dass alle längst weg waren.
»Vorsicht«, sagte sie, als Gordon unsicher in ihre Richtung stolperte und seine Hände wie Löwenklauen auf ihre Schultern legte.
    »Haben Sie Kate gesehen?«, fragte er.
    Erst mit einiger Verzögerung begriff Sandy, dass er das Musical und keine konkrete Person meinte. »Ja. Es war wundervoll.«
    »Ich fand es umwerfend. Schlicht umwerfend«, erklärte er mit seinem pseudo-englischen Akzent.
    Der Einzige, den es umgeworfen hat, bist du selber, dachte Sandy, sagte jedoch nichts. »Meinen Sie, Sie schaffen es, sich aufrecht zu halten?«, fragte sie stattdessen, weil sie seine Hand von ihrer Schulter loswerden wollte, bevor sein Gewicht sie in die Knie zwang.
    »Oh ja. Selbstredend.« Er nahm seine Hand weg, und sein Körper schwankte hin und her wie das Pendel eines Metronoms. »Ihre Tochter war eine Offenbarung.«
    »Ja, sie war wundervoll.«
    »Nicht wundervoll«, verbesserte Gordon sie. »Eine Offenbarung.«
    »Eine Offenbarung, ja.« Sandy drehte sich hilflos zu der verlassenen Straße um. »Was sollen wir bloß mit Ihnen machen, Gordon?« Warum geriet sie immer in solchen Schlamassel? Warum war sie nicht einfach mit Rita und den anderen ins Chester’s gefahren? Warum musste sie für den betrunkenen Theaterlehrer auf dem Parkplatz verantwortlich sein?
    »Es war nicht leicht«, erklärte Gordon. »Die Kinder sind talentiert, aber faul. Sie wollen nicht die Ärmel hochkrempeln. Sie wollen bloß Stars sein. Jeder will ein Star sein.«
    »Wie kriegen wir Sie nur nach Hause?«
    Gordon wirkte leicht perplex. Zumindest glaubte Sandy das, denn er schielte so heftig, dass man nicht ganz sicher sein konnte. »Mein Wagen steht dort«, sagte er, zeigte in die grobe Richtung und wäre beinahe wieder umgefallen.
    »Ja, klar. Als ob Sie in Ihrem Zustand noch fahren könnten.
Kommen Sie.« Sie fasste seinen Ellenbogen und führte ihn wie einen Blinden. »Ich nehme an, ich werde Sie wohl nach Hause bringen müssen.«
    »Wirklich? Das ist schrecklich freundlich von Ihnen.«
    Habe ich eine Wahl?, fragte Sandy sich, als sie ihn vorsichtig zu ihrem Wagen geleitete und auf den Beifahrersitz platzierte.
    »Um ganz ehrlich zu sein, fühle ich mich nicht besonders«, sagte er, als würde er ihr ein tiefes, dunkles Geheimnis anvertrauen.
    »Wenn Sie sich übergeben müssen, sagen Sie Bescheid.«
    »Das will ich doch nicht hoffen. Meine Mutter wäre außer sich.« Er lachte ein spitzes, mädchenhaftes Lachen, mit dem er unsichtbare Whiskeytropfen in die Luft spuckte. »Aber meine Mutter ist natürlich tot.« Er lachte wieder.
    Oh Gott,

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