Nur Der Tod Kann Dich Retten
Vater gestorben ist«, setzte Rita an und unterbrach sich gleich wieder. »Seit sein Vater sich umgebracht hat «, stellte sie bitter fest, »und Brian ihn im Bad gefunden hat -«
»Rita...«
Die Tränen flossen jetzt in Strömen. »Der egoistische Arsch. Warum hat er sich keinen Baum in den Everglades gesucht, wenn er sich unbedingt aufhängen wollte? Musste es ausgerechnet unser Badezimmer sein? Musste er es dort tun, wo sein Sohn reinkommen und ihn finden würde?«
»Er hat nicht rational gehandelt und darüber nachgedacht.«
»Er hat überhaupt nicht nachgedacht, verdammt.«
»Er muss sehr verzweifelt gewesen sein.«
»Scheiß drauf!«, sagte Rita mit überraschender Heftigkeit. »Scheiß auf seine Verzweiflung! Was ist mit seinem Sohn? Seinem Sohn, der ins Bad kam und ihn dort mit heraushängender Zunge und einem ziemlich unschmeichelhaften bläulichen Teint hängen sah. Kein Wunder, dass der arme Junge sich Sorgen macht, ob es genug Sauerstoff gibt!« Sie sank in Sandys ausgebreitete Arme. »Er hätte heute Abend hier sein sollen. Er hätte für seinen Sohn da sein sollen.«
So standen sie in Ritas winzigem Büro, und die kleine Frau weinte bitterlich in den Armen ihrer Freundin, bis die Schluchzer
nach einer Weile verebbten, Rita die Schultern straffte und Sandy lächelnd ansah. »Aber jetzt ist es okay. Der Albtraum ist endlich vorbei. Cal Hamilton sitzt im Gefängnis. Die Morde haben aufgehört. Und mein Sohn – mein wunderbarer verrückter Junge – war super heute Abend auf dieser Bühne.«
»Das war er auf jeden Fall.«
»Und wenn er völlig verdreht ist, zumindest ist er kein Mörder. Stimmt’s?«
Sandy umarmte ihre Freundin erneut. »Von Teenagern erwartet man, dass sie völlig verdreht sind. Das ist einfach so.«
»Werden wir je wirklich erwachsen?«, fragte Rita, als sie zurück durch den Flur zur Aula gingen.
Sandy schüttelte den Kopf. »Keinen Schimmer.«
»Du warst fantastisch«, sprudelte Rita los, nachdem sie sich durch die lärmende Menge der Gratulanten in dem langen schmalen Korridor gedrängt hatte, um ihren Sohn in die Arme zu schließen. Brian ließ sich auch bereitwillig umarmen und küssen.
»Danke.«
»Ach, wie süß«, sagte Joey Balfour irgendwo in der Nähe.
»Du warst großartig, Brian«, bekräftigte Sandy und warf Joey einen warnenden Blick zu. »Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke.« Brian wischte sich den Kuss seiner Mutter von der Wange und blickte zu Perry Falco, der in der gegenüberliegenden Ecke stand und ihn beobachtete. Brian zögerte, machte ihm dann aber ein Zeichen herüberzukommen: »Mom, ich möchte dir jemanden vorstellen.«
Sandy entschuldigte sich, um ihre Tochter zu suchen. Es wimmelte von stolzen Eltern und diversen anderen Gratulanten. Mitglieder des Ensembles, die meisten noch kostümiert und geschminkt, liefen zwischen den vier kleinen Garderoben auf dem Flur hin und her, nahmen das Lob entgegen und sonnten sich in ihrem Ruhm. Sandy sah sich nach Gordon Lipsman um, weil sie ihm zu seiner gelungenen Regiearbeit
gratulieren wollte. Sie hatte ihn falsch beurteilt und unterschätzt. Er war vielleicht pedantisch und prätentiös, aber auch talentiert. Er hatte einen Klaps auf die Schulter verdient, vielleicht sogar eine Umarmung. Es war ihr egal, wie viele Bilder von ihnen im Internet landeten. »Hat irgendjemand Mr. Lipsman gesehen?«, fragte sie.
»Ich glaube, er ist nach Hause gegangen«, sagte Victor Drummond, der aus einer der Garderoben kam. »Er hat gesagt, er würde sich nicht so besonders fühlen.«
Ohne den weißen Puder im Gesicht erkannte Sandy Victor beinahe nicht wieder. Er sah so anders aus. Wie wir alle ohne unsere Masken, dachte sie. »Du warst toll«, erklärte sie ihm aufrichtig und war mit einem Mal ungeheuer stolz auf alle ihre Schüler.
Er nickte schüchtern. »Megan ist in der Garderobe am Ende des Flurs, zweite Tür links.«
»Danke.«
Der Flur war so voller Menschen, dass Sandy eine Minute brauchte, um zu der besagten Tür vorzudringen. Auf dem Weg wechselte sie Lobesworte mit John und Pauline Weber sowie den Eltern von Tanya McGovern und Ginger Perchak. Alle waren sich einig, dass ihr Nachwuchs fantastisch gewesen war. Alle bis auf Gregs Vater, der durch seine Abwesenheit auffiel. »Greg«, sagte Sandy, als sie in die mittlere Garderobe spähte, wo Greg alleine saß und sich abschminkte. Er sah sie im Spiegel an, als sie in der Tür stehen blieb. »Ich wollte dir bloß sagen, dass du heute Abend wirklich
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