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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sechzehn nach wie vor der quälend schüchterne Junge, der er schon immer gewesen war. Er lächelte nicht oft, lachte noch seltener und fand nur wenig Freunde. Er war der klassische Außenseiter: sensibel, introvertiert, künstlerisch veranlagt. Er hörte lieber Klassik als Pop, ging lieber ins Theater als ins Kino und fand Bücher interessanter als Basketball. Das machte ihn zu einem natürlichen Opfer von Jungen wie Greg Watt und Joey Balfour. Weil seine Mutter Lehrerin und seine Schwester ebenso hübsch und beliebt wie intelligent und kontaktfreudig war, hatten die Rabauken ihn glücklicherweise bisher in Ruhe gelassen.
    Bisher.
    »Es heißt, wenn man sie bis zu ihrem 30. Geburtstag durchbringt, haben sie eine Überlebenschance«, sagte Rita.
    »Er wird sich bestimmt prima machen«, versicherte Sandy ihrer Freundin ebenso wie sich selbst. Sie zog ein Papiertaschentuch aus einer Schachtel und tupfte Ritas Tränen ab.
    »Genug davon. Ich finde, du solltest heute Abend wirklich mitkommen. Ich habe eine Verabredung, und ich bin ein bisschen nervös.«
    »Du hast eine Verabredung?«
    »Ein Blind Date. Hast du so was schon mal gemacht?«
    »Nur einmal. Mit fünfzehn, und es war eine Katastrophe.«

    »Dann verstehst du ja, warum ich so nervös bin. Komm doch bitte mit«, sagte Rita.
    »Ich kann nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es deine Verabredung ist. Das wäre wirklich zu seltsam.«
    »Und wenn ich ihn anrufe und frage, ob er einen Freund hat...«
    »Nein.«
    »Ach, komm schon -«
    »Darf ich dich daran erinnern, dass ich verheiratet bin.«
    »Nur noch auf dem Papier.«
    »Ian ist erst vor ein paar Wochen ausgezogen.«
    »Vor sieben Wochen«, präzisierte Rita.
    »Sieben, ja.« Sandy begann, ihren kleinen Besuch bei Rita zu bereuen. »Jedenfalls war von Scheidung bisher nicht die Rede. Wir sind noch nicht einmal offiziell getrennt.«
    »Was soll das heißen? Warst du etwa immer noch nicht beim Anwalt?«
    »Noch nicht, nein.«
    »Worauf wartest du? Ich hab dir doch den Namen von dem Typen in Miami gegeben, der die Scheidung meiner Cousine geregelt hat. Sie sagt, er wäre ausgezeichnet.«
    »Wann hab ich schon Zeit, nach Miami zu fahren?«
    »Dann nimm dir die Zeit.«
    »Das mache ich bestimmt.«
    »Wann?«
    »Wenn ich Zeit habe«, fauchte Sandy.
    »Tut mir leid«, entschuldigte Rita sich. »Das geht mich wirklich nichts an.«
    »Ich finde es ja sehr nett, dass du dir Gedanken machst...«
    »Aber ich sollte mich deiner Ansicht nach lieber um meinen Kram kümmern.«
    Sandy zuckte die Achseln. »Ian holt die Kinder heute Abend zum Essen ab.«

    »Ein Grund mehr, nicht zu Hause zu bleiben.«
    »Ich kann nicht.« Es war schließlich immerhin möglich, dass Ian eigentlich gar nicht wegen der Kinder kam. Es war doch denkbar, dass er auch sie sehen wollte, weil er nach Liana Martins Verschwinden erkannt hatte, was für ein Vollidiot er in den letzten Monaten gewesen war und was ihm seine Familie wirklich bedeutete. Er konnte doch unmöglich glücklich sein mit dieser aufblasbaren Menschenpuppe. Er hatte eine Midlifecrisis, über die er bei anderen immer gespottet hatte. Er hatte vorübergehend den Verstand verloren. Ja, das war vermutlich eine ziemlich treffende Beschreibung, entschied Sandy. Aber nachdem er nun wieder zu Sinnen gekommen war, erkannte er, dass man eine zwanzigjährige Ehe nicht einfach hinter sich ließ. Man verließ nicht die Frau, die man mit neunzehn geheiratet hatte, die Frau, die einem zwei Kinder geboren hatte, als sie selbst fast noch ein Kind war, während sie gleichzeitig ihr Lehrerexamen gemacht und einem das Medizinstudium finanziert hatte. So eine Frau verließ man nicht. Man gab nicht Substanz für Silikon auf.
    Allerdings hatte er genau das getan.
    »Und wer hat dieses Blind Date arrangiert?«, fragte Sandy in dem Bemühen, das Thema zu wechseln.
    »Das möchte ich lieber nicht sagen.«
    »Wieso denn nicht?«
    »Du würdest bloß sauer werden.«
    »Warum sollte ich sauer werden?«
    »Weil ich deine Geduld für heute schon genug strapaziert habe.«
    »Sag es mir.«
    »Ich hab ihn im Internet kennen gelernt.«
    »Komm mir nicht damit.«
    »Ich hab ja gesagt, dass du wütend wirst.«
    »Ich bin nicht wütend, ich bin perplex. Ich bin sprachlos.«
    »Schön wär’s.«
    »Wie kannst du dich nur mit einem Mann verabreden, den
du in einem Chatroom kennen gelernt hast? Vor allem jetzt, wo ein junges Mädchen vermisst wird.«
    »Es war kein Chatroom. Ich schwöre. Es war eine Online-Partnervermittlung.

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