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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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hat ein rundes, uninteressantes Gesicht, mit wulstigen Lippen und kleinen, tief liegenden Augen, in denen immer wieder Tränen schimmerten. In diesem Gesicht spiegelte sich Erleichterung, Wut und Verlegenheit und manchmal auch alles gleichzeitig. Hin und wieder sah sich Mrs. Vinton zu ihrem Exmann und seiner neuen Frau um, die jung genug aussah, um seine Tochter zu sein – eigentlich müsste er sich schämen -, und zog eine Grimasse, obwohl ich glaube, dass ihr das gar nicht bewusst war. Ich musste lachen. Die Leute verraten sich so leicht. Die kleinste Geste gibt sie preis.
    Mit einem zerfetzten Taschentuch in der Hand stand Mrs. Vinton also auf den Stufen eines öffentlichen Gebäudes (wahrscheinlich der City Hall), bedankte sich bei Polizeieinheiten und Freiwilligen, warf verstohlene Blicke zu ihrem Mann und seiner jungen Frau und erklärte, wie leid ihr die ganze Aufregung täte, die ihre Tochter verursacht hatte. Auch Brenda bedauere es, wiederholte sie mehrfach und fügte hinzu, dass sie sich um professionelle Hilfe für sie kümmern wolle. Dabei warf sie einen letzten Blick auf ihren Mann, der seinen Zorn kaum hinter seinem angespannten Lächeln verbergen konnte, bevor die Pressekonferenz beendet und sie verschwunden war.
    Während all dessen war Brenda selbstredend nirgends zu sehen. Sie habe sich zu sehr geschämt, erklärte ihre Mutter.
    Das kaufe ich ihr nicht ab. Ich glaube, dass die kleine Brenda sich kein bisschen schämt. Schließlich hat sie bekommen, was sie vermutlich wollte, nämlich eine Pause von ihrer Mutter, die garantiert überbehütend ist, seit ihr Mann sie verlassen hat, dazu Aufmerksamkeit von ihrem Vater, der sie in letzter Zeit bestimmt vernachlässigt hatte, weil er mit seiner neuen Frau beschäftigt war. Ganz zu schweigen von den vierundzwanzig Stunden, in denen ihr Name auf allen Lippen, ihr Bild an jedem Telefonmast und in allen Fernsehnachrichten und ein Gedanke an sie in jedem Gebet war.

    Und wo war die kleine Brenda, als all das passierte?
    Sie hat sich in einem billigen Hotel in der Nähe versteckt, Cola getrunken, Chips gegessen und die Berichte über ihr Verschwinden im Fernsehen verfolgt. Sie hätte sich nichts Böses dabei gedacht, erklärte sie den Polizisten, nachdem das Zimmermädchen sie am Sonntagnachmittag entdeckt hatte. Sie hätte nicht vorgehabt wegzulaufen. Sie hätte auf keinen Fall geahnt, was für ein Aufsehen ihr Verschwinden machen würde. Es war eine spontane Idee. Sie war auf dem Weg von der Klavierstunde nach Hause und sollte noch für einen Test am Montag lernen, vor dem ihr graute, weil sie keins der Bücher gelesen hatte, deren Inhalt abgefragt wurde. Sie hatte Angst, dass sie eine Fünf schreiben und ihre Mutter sie schimpfen und nicht zum Killers-Konzert in Fort Lauderdale am nächsten Wochenende gehen lassen würde, obwohl sie für die Karte fünf Stunden angestanden und das ganze Geld ausgegeben hatte, das sie zu ihrem letzten Geburtstag bekommen hatte, um einen halbwegs vernünftigen Platz zu bekommen. Das wäre wirklich ungerecht, und überhaupt hasste sie es, minderjährig zu sein, und sie hasste die Schule, und vor allem hasste sie es, samstagmorgens zum Klavierunterricht zu gehen, während alle ihre Freundinnen ausschlafen durften. Deshalb hatte sie aus heiterem Himmel entschieden, nicht nach Hause zu gehen und für diesen blöden Test zu lernen, sondern war stattdessen zu irgendeinem Hotel gegangen, um dort ein paar Stunden abzuhängen. Als sie dann den Fernseher anschaltete, sah sie ihr Bild, hörte die Nachricht von ihrem Verschwinden und wusste nicht, was sie machen sollte. Und nein, sie kam auch nicht auf die Idee, dass ihre Mutter völlig außer sich sein könnte. Wie konnte sie ahnen, dass ein paar Stunden Verspätung einen derartigen Aufruhr verursachen und die ganze Stadt nach ihr suchen würde? Ja, natürlich hatte sie von dem armen Mädchen in Torrance gehört, das umgebracht worden war, aber das war doch in einer ganz anderen Ecke Floridas passiert. Warum also sollte irgendjemand
auf den Gedanken kommen, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hatte? Es tat ihr leid, okay?
    Nein, es ist nicht okay. Und ich würde Brenda Vinton verdammt gern einen Besuch abstatten und ihr zeigen, was mit dummen kleinen Gören passiert, die grundlos falschen Alarm geben. Aber wahrscheinlich passt ihre Mutter jetzt auf wie ein Habicht, deshalb wäre es viel zu riskant. Außerdem würde ich mit der ganzen Fahrerei noch mehr Zeit vergeuden, wo mich

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