Nur Der Tod Kann Dich Retten
Highschool begnügt. Mr. Watt missbilligte die künstlerischen Interessen seines Sohnes und verlangte, dass Greg im Familienbetrieb mithalf. Und ihre Mutter hatte entschieden, dass sie nach Rochester zurückkehren wollte, und war selbstverständlich davon ausgegangen, dass ihr Sohn und ihre Tochter sich diesem Wunsch automatisch fügen würden. Nun, Megan hatte nicht vor, in diesem Punkt nachzugeben. Sie würde nicht aus Florida wegziehen, hatte sie am Wochenende entschieden. Und dabei spielte es keine Rolle, dass sie ursprünglich gar nicht hatte herkommen wollen und ihre alten Freundinnen vermisste. Auch nicht, dass Liana Martin ermordet worden war.
»Hier ist es nicht sicher«, hatte ihre Mutter argumentiert.
»Sicherer als in New York«, hatte sie zurückgegeben.
Als dann ein weiteres Mädchen vermisst wurde, war ihre Mutter regelrecht außer sich. Liana wäre noch nicht einmal beerdigt, hatte sie getobt, und schon sei ein zweites Mädchen verschwunden. Vielleicht sogar ein drittes, wenn man den Gerüchten glaubte. Aber Brenda Vinton war, wie sich herausstellte, überhaupt nicht entführt worden, und deshalb waren auch all die hysterischen Tiraden ihrer Mutter über einen Serienmörder, der jungen Mädchen auflauerte, reine Spekulation. Statistisch gesehen war es viel wahrscheinlicher, dass Liana Martin von einem Bekannten ermordet worden war als von einen umherstreifenden Psychopathen. Deshalb würde sie auf gar keinen Fall nach Rochester zurückgehen, hatte Megan erklärt. Tatsächlich ging es um etwas anderes, das hatte sie längst begriffen. Der wahre Grund, warum ihre Mutter Torrance verlassen wollte, hatte nichts mit Serienmördern, sondern einzig und allein mit untreuen Ehemännern zu tun. Konnte sie ihr das verdenken?
Megan blickte zum Ende des Ganges, wo Delilah Franklin sich in einen der weichen roten Samtsitze zwängte und darauf wartete, dass Mr. Lipsman weitermachte. Von dem Mädchen ging etwas Ödes aus, sie verdarb allen den Spaß. Warum musste sie überall sein, wo sie auch war, fragte Megan sich, obwohl sie wusste, dass das ungerecht war. Das arme Mädchen konnte selbstverständlich machen, was sie wollte, und offensichtlich wollte sie in dem Schul-Musical mitspielen. Der Abstand, den die anderen Schüler hielten – die Sitze direkt neben und hinter ihr waren beschämend leer geblieben -, zeigte, dass niemand darüber hocherfreut war. Und Megan konnte sich ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, welche Rolle für Delilah geeignet wäre. Man konnte nur hoffen, dass Mr. Lipsman das genauso sah und ihr irgendeine undankbare Aufgabe zuteilte wie Kulissen malen oder Kostüme nähen. Hatte sie das im letzten Jahr nicht auch gemacht?
Das Ganze war sowieso eine bescheuerte Idee, dachte
Megan, als Mr. Lipsman begann, die Textbücher zu verteilen. Sie hätte nicht kommen sollen. Sie hatte überhaupt kein Interesse an der Aufführung, selbst wenn sie die Hauptrolle bekommen sollte.
Zunächst hatte alles darauf hingedeutet, dass die Produktion abgesagt werden würde. Nach dem Tod von Mr. Lipsmans Mutter war sie schon einmal verschoben worden, und nach der Entdeckung von Lianas Leiche hatte der Direktor überlegt, ganz darauf zu verzichten. Aber Mr. Lipsman hatte eine beeindruckende Rede gehalten, dass die Hoffnung über die Verzweiflung siegen müsse, und behauptet, das Musical würde die Schüler von ihrer Trauer und Furcht ablenken, und so weiter und so weiter, letztendlich nichts Anderes als der verklausulierte Appell: »Die Show muss weitergehen.«
»Lasst uns Kiss me, Kate zu Ehren von Liana Martin aufführen«, hatte der Direktor daraufhin über Lautsprecher verkündet und alle Schüler ermutigt, sich in irgendeiner Form an dem Musical zu beteiligen, sei es auf der Bühne oder hinter den Kulissen.
»Das ist für die Schüler viel besser als Trauerberatung«, hörte man Mr. Lipsman sagen, obwohl Letztere ebenfalls angeboten wurde.
Megan verstand nicht, wie die Aufführung von Kiss Me, Kate etwas zum Andenken von Liana Martin beitragen sollte, und ging trotz der Ermutigung ihrer Mutter nicht zu der Psychologin, die für persönliche Gespräche zur Trauerbewältigung bereitstand. Sie hatte kein Interesse daran, mit einer wildfremden Frau über Lianas Tod zu sprechen. Ebenso wenig mochte sie mit irgendjemandem, den sie kannte, über den Mord sprechen, vor allem nicht mit ihrer Mutter, die Megan bedrängte, bis ihr schwindelig wurde und sie schreien wollte. »Ich bin für dich da, wenn du darüber
Weitere Kostenlose Bücher