Nur Der Tod Kann Dich Retten
wenig wie in der Whitmore Avenue, in die sie später gezogen waren. »Wir sind uns nie zuvor begegnet, oder?«
Ein gerissenes Lächeln breitete sich über seine Lippen. »Nein.«
»Ich fürchte, das verstehe ich nicht.«
»Du sahst aus, als müsstest du gerettet werden.«
»Was?«
»Ich muss gestehen, dass ich gelauscht und so auch erfahren habe, dass du Sandy heißt und aus Rochester kommst. Ich habe deinen Gesichtsausdruck gesehen, als Mr. Ed geredet hat, und mir gedacht, diese Lady ist viel zu hübsch, um sich solchen Mist anhören zu müssen, und da...«
»Hast du mich gerettet.«
»Kannst du mir verzeihen?«
Er findet mich hübsch, dachte Sandy dankbar. Dieser gutaussehende Mann, der jede Frau in dem Lokal hätte haben können, einschließlich der frühreifen Drillinge, hat mich, die von Ian Zurückgewiesene, zur Rettung auserwählt. »Was hast du sonst noch mitgehört?«
»Dass du auf der Suche nach einem guten Scheidungsanwalt bist.«
»Sag mir jetzt nicht, du bist es.«
»Nein, nein, ich doch nicht«, versicherte er ihr rasch.
»Und was machst du, wenn du nicht gerade Damen aus Notlagen rettest?«
»Ich bin Börsenmakler. Und du bist Lehrerin.«
»Ich wüsste nicht, dass wir darüber gesprochen haben.«
»Ich glaube, es wurde erwähnt, bevor du an den Tisch zurückgekehrt bist.«
»Wurde sonst noch irgendwas Interessantes erwähnt, als ich weg war?«
»Glaub mir, an diesem Tisch war gar nichts interessant, bis du gekommen bist.«
Sandy lächelte. Er hatte sie nicht nur gerettet, er flirtete mit ihr. Und sie flirtete zurück. Sie, der eben noch beim bloßen Gedanken an ein Rendezvous heftig übel geworden war. Und dann bedurfte es nur eines Green Apple Martini und eines attraktiven Gesichtes. Offenbar ließ sie sich von einer ansehnlichen Oberfläche ebenso leicht umstimmen wie ihr in Kürze nicht ganz so gütlich geschiedener Mann.
Will tätschelte das Heck seines roten Porsches. »Lust auf eine Spazierfahrt?«
Wenn das ein Traum war, dachte Sandy, war es der beste seit Jahren. »Ich kann meine Freunde doch nicht einfach sitzen lassen«, hörte sie sich sagen.
»Klar kannst du das.«
Konnte sie das wirklich?, fragte Sandy sich. Konnte sie einfach
so in den Wagen eines Fremden steigen? Wie oft hatte sie ihre eigenen Kinder davor gewarnt? Konnte sie allen Ernstes mit einem Mann wegfahren, den sie nicht kannte, ein Mann, den sie in einer Kneipe kennen gelernt hatte, während da draußen vielleicht ein Verrückter frei herumlief? (Hatte es je einen Serienmörder gegeben, der einen Porsche gefahren hatte? Sie glaubte nicht. Ted Bundy hatte einen VW-Käfer gehabt, und sie meinte sich zu erinnern, dass Serienmörder im Allgemeinen Transporter bevorzugten.) Das Einzige, was sie über Will Baker wusste, war sein Name und sein Beruf – und dass er der sexyste Mann war, der ihr je unter die Augen gekommen war. (Jawohl, Dr. Ian mit deinem blöden Barbiepuppen-Klon. Ich kann genauso oberflächlich sein wie du.) Konnte sie das wirklich tun? Konnte sie? Konnte sie ? »Ich muss meinen Freunden wenigstens Bescheid sagen.«
»Warum rufst du nicht aus dem Auto an?«
Er öffnete die Wagentür. Sandy sah sich noch einmal zu dem Lokal um und stieg ein.
14
J ohn lief neben seinem Streifenwagen auf und ab, der im Leerlauf in der Einfahrt stand, kleine graue Wölkchen wie Rauchkringel in die Luft blies und die klare Abendluft verpestete. Wo blieb Amber, Himmel noch mal? Hatte sie nicht gesagt, dass sie in einer Minute fertig sein würde? Er sah auf die Uhr. Inzwischen waren mehr als zehn Minuten vergangen. Was machte sie bloß so lange da drinnen? »Nun hetz das arme Mädchen nicht so«, hatte Pauline aus der Haustür gerufen, als er zum ersten Mal auf die Hupe gedrückt hatte. »Sie ist fast fertig.« Aber was musste sie noch alles machen, um endlich fertig zu sein? Sie ging schließlich nicht auf eine Party, sondern zu einer Totenwache. So lautete zumindest die offizielle Version. Angeblich wollten sich ein paar Jugendliche versammeln, um Lianas Tod auf ihre Weise zu betrauern – mit Liedern, Gitarren, Gedichten und Erinnerungen. Es sollte weniger förmlich und persönlicher werden als der Gedenkgottesdienst, den Lianas Eltern am Mittwoch für ihre Tochter hatten abhalten lassen.
John wollte nicht, dass Amber dort hinging. Sie und Liana hätten sich doch gar nicht so nahe gestanden, wandte er ein, auch wenn sie im letzten Jahr zusammen bei Anatevka mitgespielt hatten. Liana sei zwei Jahre älter
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