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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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gewesen als sie und hätte doch einen ganz anderen Freundeskreis gehabt. Und es sei durchaus möglich, dass ihr Mörder aus diesem Umfeld kam und heute Abend vermutlich ebenfalls dabei war. John hätte es alles in allem viel lieber gesehen, wenn Amber die
verdammte Veranstaltung ganz gemieden hätte, war jedoch wie üblich zwei zu eins überstimmt worden.
    »Die Kids verarbeiten ihre Trauer eben auf diese Weise«, hatte Pauline ihm erklärt.
    »Es zieht ihre Trauer nur in die Länge«, hatte John erwidert.
    »Das verstehst du nicht«, kam Paulines dieser Tage beinahe automatische Antwort auf fast alles. Das verstehst du nicht .
    Und vielleicht hatte sie Recht. Vielleicht verstand er es wirklich nicht. Er war ein Problem immer so angegangen, dass er nach besten Kräften versucht hatte, es zu lösen, um es dann abzuhaken. Es war ihm zuwider, tagelang Dinge durchzukauen, die er schon wusste, Fragen zu stellen, die schon hundertmal gestellt worden waren, und das Offensichtliche zu bemerken. (Aber hatten er und seine Deputies in der vergangenen Woche nicht genau das getan?) Er zog es vor, ein Problem direkt anzugehen, eine Lösung zu finden und dann alles so schnell wie irgend möglich hinter sich zu lassen. Vor einem Feuer lief man weg und umarmte die Flammen nicht noch.
    Außerdem hatte er den Verdacht, dass es bei der Totenwache für Liana neben Liedern, Gitarren, Gedichten und Erinnerungen auch Alkohol und Drogen geben würde. Er konnte sich schließlich noch an seine eigene Teenagerzeit erinnern. Er wollte auch immer nur Bier, Gras und Sex. Vor allem Sex. Und wenn er dafür ein paar Akkorde auf einer ramponierten Gitarre zupfen oder ein paar süßliche Gedichte zitieren musste, die er weder mochte noch verstand, hätte er das mehr als bereitwillig getan, wenn solche Bekundungen männlicher »Sensibilität« ihm geholfen hätten, die kleine Jenna oder Sue aus ihren engen Jeans zu schwatzen. Die Jungen heute waren keinen Deut besser als er damals. Sie waren eher noch schlimmer.
    Und Amber hatte ihnen nichts entgegenzusetzen. Bei ihrem Gewicht würde ein Drink locker reichen, um ihren gesunden Menschenverstand außer Kraft zu setzen und sie zu
Unüberlegtheiten hinzureißen. Sechzehnjährige Mädchen ließen sich so leicht manipulieren, gerade wenn sie so unbedingt dazugehören wollten, dass sie sich dafür halb zu Tode hungerten. John konnte sich gut vorstellen, dass seine Tochter sich überreden ließ, an einem Drink zu nippen oder einem Joint zu ziehen. Er glaubte nicht, dass sie je Drogen genommen hatte, aber wie oft hatte er Eltern genau das ahnungslos beteuern hören – nie im Leben, auf keinen Fall! – und wie oft hatte er ihre Sprösslinge beim Kiffen im Park oder auf einem Ecstasy-Trip erwischt?
    Zumindest war sie immer noch Jungfrau. Da war er sich einigermaßen sicher. Durch das offene Wagenfenster drückte er ein zweites Mal auf die Hupe. Amber hatte schließlich nicht mal einen Freund und auch noch nie einen gehabt, wofür er dankbar war. Pauline hingegen sah das ganz anders.
    »Ein Mädchen in ihrem Alter sollte einen Freund haben«, klagte sie immer.
    »Ein Mädchen in ihrem Alter sollte essen«, erwiderte er dann.
    Nicht zum ersten Mal beschäftigte ihn der Gedanke, dass Lianas Mörder vielleicht an der heutigen Totenwache teilnehmen würde. Er wusste, dass Mörder häufig zu den Beerdigungen ihrer Opfer kamen, weil es ihnen ein Gefühl der Macht oder sogar einen perversen sexuellen Kick gab. Deswegen hatte er auch die Besucher von Lianas Gedenkgottesdienst gründlich gemustert, aber es waren so viele gewesen, die nach dem Ende der Andacht in einem großen Pulk aus der Kirche auf die Straße geströmt waren. Er hatte zwar ein paar unbekannte Gesichter entdeckt, aber keines, das seinen Verdacht erregt hatte. In Wahrheit war er bei der Suche nach Lianas Mörder trotz aller Anstrengungen keinen Schritt weiter als vor einer Woche.
    Sean Wilson rief mindestens einmal, in letzter Zeit auch gerne zwei- oder dreimal am Tag an. So dringend wollte der »winzige, perfekte Bürgermeister« diesen Fall gelöst und
»seine« Stadt zur Normalität zurückkehren sehen, dass er anfing, sich in Johns Ermittlungen einzumischen.
    »Was genau soll ich Ihrer Meinung nach tun, Sean?«, hatte der Sheriff ihn gestern Nachmittag gefragt, als der Bürgermeister ihn beim Verlassen seines Büros abgepasst hatte. John hatte mehrere Beamte und praktisch das gesamte Verwaltungspersonal verstohlene Blicke in Richtung ihrer bisweilen

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