Nur Der Tod Kann Dich Retten
keinerlei Beweise dafür, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben«, stellte John nachdrücklich fest. Denn in Wahrheit war trotz des vermissten Mädchens aus Hendry County und dem jüngsten Fehlalarm bezüglich Brenda Vinton erst eine Frau tatsächlich tot aufgefunden worden. Er wollte Liana Martins brutale Ermordung ganz gewiss nicht herunterspielen, aber die Tatsache, dass ein Mädchen getötet worden war, rechtfertigte es seiner Meinung nach nicht, die Bundespolizei hinzuzuziehen. Trotzdem sagte ihm sein Instinkt, dass sie es in der Tat mit einem Serienmörder zu tun hatten und es nur eine Frage der Zeit war, bevor er erneut zuschlug.
Vielleicht sogar heute Abend, dachte John und drückte erneut
auf die Hupe in der Hoffnung, dass das aggressive Geräusch den Widerhall der massiven Zweifel übertönen würde, die der winzige Bürgermeister an seinen beruflichen Fähigkeiten geäußert hatte. Hatte der Mann womöglich Recht?
Die Haustür ging auf, und Pauline erschien, die Hände in die Hüften gestemmt. »Was ist denn los mit dir? Ich hab dir doch gesagt, sie ist gleich da.«
»Hoffentlich noch vor Weihnachten.«
Pauline schüttelte den Kopf und zog sich wieder ins Haus zurück. »Amber«, hörte er sie rufen, »dein Vater wartet.«
Als ob Amber das nicht wüsste. Als ob er hier nicht schon – er sah erneut auf die Uhr – fast eine Viertelstunde herumstehen würde. Als ob er den ganzen Abend Zeit hätte.
Und genau das hatte er auch, wie ihm klar wurde. Wozu die Eile? Nach Ansicht des Bürgermeisters kamen weder er noch seine Ermittlungen auch nur einen Schritt voran.
Inzwischen war Amber neben ihrer Mutter aufgetaucht. John starrte sie verblüfft an. Sie sah exakt so aus wie vor einer Viertelstunde, als sie angefangen hatte, sich fertig zu machen. Dieselbe Jeans, derselbe blaue Pulli, dieselben schwarz-weißen Sneakers. Was hatte er erwartet? Dass sie ein Kleid anziehen würde? Dass sie sich anders frisierte oder schminkte? Dass sie wundersamerweise fünf Kilo zugenommen hatte?
Als sie den Weg vom Haus zur Einfahrt hinunterhüpfte, fiel ihm auf, dass sie tatsächlich einen Hauch Lidschatten aufgetragen hatte und sich eine Strassklammer ins Haar gesteckt hatte. Außerdem roch sie vage nach Zitronen, als sie näher kam, was vermutlich irgendein Parfüm war. Der Geruch legte sich wie ein Film auf seine Kehle. Er war nie ein großer Parfüm-Fan gewesen. Er mochte den natürlichen Duft einer Frau und konnte nie verstehen, warum die Frauen sich so viel Mühe gaben, ihn zu überdecken.
»Willst du da wirklich hin?«, fragte John, als seine Tochter in den Wagen stieg. »Es ist noch nicht zu spät, es sich anders zu überlegen.«
»Warum sollte ich es mir anders überlegen?« Amber schnallte sich an und starrte nach vorn.
John setzte rückwärts aus der Einfahrt und winkte Pauline noch einmal zu. Aber sie hatte bereits die Tür hinter sich geschlossen und sah ihn nicht mehr. »Bring auf dem Nachhauseweg eine DVD mit«, hatte sie ihn angewiesen. »Such du was aus«, hatte sie gesagt, obwohl er schon wusste, dass seine Wahl garantiert die falsche sein würde. Sie war ohnehin wütend, weil er ihren Vorschlag, ins Kino zu gehen, abgelehnt hatte. »Du willst nie mehr ausgehen.«
»Ich denke bloß, dass wir erreichbar sein sollten, falls Amber früher abgeholt werden möchte.«
»Das will sie bestimmt nicht.«
»Aber vielleicht doch.«
Nein, dachte John, als er das entschlossen gereckte und erstaunlich kräftige Kinn seiner Tochter sah. Sie war wütend, weil er darauf bestanden hatte, sie um elf Uhr abzuholen, womit sie ihrer Ansicht nach vor den anderen dastehen würde wie ein kleines Baby. Aber er hatte ihr die Teilnahme nur zu seinen Bedingungen erlaubt, und jetzt war sie sauer auf ihn, genau wie Pauline. Hatte es in seinem Leben überhaupt je eine Phase gegeben, in der nicht irgendeine Frau sauer auf ihn war? Die Zeit mit Kerri Franklin, dachte er, als er Delilah allein auf der anderen Straßenseite sah. Er hupte und bremste.
»Was machst du?«, wollte Amber wissen. »Dad? Was machst du? Du willst doch nicht etwa anhalten?«
»Sie geht wahrscheinlich auch zu der Totenwache. Da können wir sie auch mitnehmen.«
»Nein, mach das nicht.«
»Warum nicht?«
»Darum nicht«, sagte Amber und verdrehte verzweifelt die Augen, als er am Straßenrand hielt und das Beifahrerfenster herunterließ. Als er sich über sie hinwegbeugte, zuckte Amber sichtlich zusammen, wölbte ihren Bauch noch weiter
nach
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