Nur der Tod sühnt deine Schuld
jungen Ehepaar.
In dem Raum waren noch andere Eltern. Sie gingen von einem Anschlagbrett zum nächsten und begutachteten die dort aufgehängten Arbeiten ihrer Kinder.
Angela winkte Frank und Haley zu und kam eilig zu ihnen herüber. »Sieh mal, wen ich auf dem Parkplatz getroffen habe«, sagte Frank zu seiner Frau.
Angela hakte sich bei Haley unter und lächelte sie an. »Ich bin froh, dass Sie sich entschlossen haben, den Elternabend zu besuchen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen ein paar von Mollys Arbeiten, während wir warten, bis Miss Jackson frei ist.«
Sie führte Haley zu einem Schwarzen Brett, an dem kleine Aufsätze hingen, und zeigte auf ein Blatt mit besonders schöner Handschrift. »Das ist von Molly.« Angela drückte Haleys Arm.
Oben auf dem Blatt stand: »Meine Mommy, von Molly Ridge«.
Meine Mommy ist lieb. Sie kann gut kochen. Sie kümmert sich um mich, wenn ich krank bin. Sie bringt mich zum Lachen. Ich habe meine Mommy sehr lieb.
Fünf Sätze, die Haley schlagartig den Boden unter den Füßen wegzogen. Sie hatte das Gefühl, wenn Angela sie nicht festgehalten hätte, wäre sie zusammengebrochen. Die Trauer drohte sie zu zerreißen.
Haley kniff die Augen fest zusammen und kämpfte mit den Tränen, die in ihr aufstiegen. »Alles in Ordnung?« Angelas Stimme holte sie vom Rand des Abgrunds zurück.
Haley öffnete die Augen und nickte.
Es hätte mich treffen müssen. Ich sollte diejenige sein, die unter der Erde liegt. Monica sollte hier bei ihrer Tochter sein.
»Ja, es geht schon«, sagte sie zu Angela und sammelte mühsam Kraft, um den Abend durchzustehen.
»Da hinten sind Bilder, die die Kinder gemalt haben.« Angela deutete auf ein Anschlagbrett auf der anderen Seite des Klassenzimmers. »Kommen Sie.« Angela zeigte Haley eine Zeichnung von Adrianna mit einer Kuh, die aus einem Teich trank. Dann sahen sie sich Mollys Bild von einem Flaschengeist auf einem fliegenden Teppich an.
»Ms. Lambert? Haley Lambert?«
Angela ließ Haleys Arm los, als ein Mann auf die beiden Frauen zueilte. Er streckte Haley eine Hand entgegen. »Hi, ich bin Jay Middleton, Vorsitzender des Eltern-Lehrer-Ausschusses.«
Haley sah ihn überrascht an, und er lächelte, als sei er an diese Art von Reaktion gewöhnt. »Die traditionellen Rollen haben sich geändert. Heute haben auch Väter Zutritt zur geheimnisvollen Welt der Elternarbeit und des Fundraising.«
Jay war ein großer Mann mit athletischer Figur und blondem Haar, das sorgfältig frisiert war. Er hielt Haleys Hand fest, und in seinen braunen Augen lag tiefes Mitgefühl. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass wir Ihre Schwester alle sehr vermissen werden. Am Tag der Beerdigung war ich verreist, aber Sie sollen wissen, wie sehr wir Monica geschätzt haben. Sie war übrigens meine Stellvertreterin und rechte Hand.«
Als Haley endlich die Gelegenheit bekam, mit Sondra Jackson zu sprechen, war sie so weit, dass sie am liebsten geflüchtet wäre. Sie wusste, die anderen Eltern meinten es mit ihren anerkennenden Worten über Monica nur gut, doch Haleys Schmerz war noch zu frisch, als dass sie sich auf das Mitgefühl anderer hätte einlassen können.
»Wie geht es Molly?« Sondra Jackson sah Haley mit ihren großen blauen Augen eindringlich an. »Ich mache mir große Sorgen um sie. Der Tod eines Elternteils ist so ein tragisches Ereignis.«
Haley erzählte ihr, dass Molly nicht sprach und dass ihr Therapeut es für sinnvoll erachtete, sie wieder zur Schule zu schicken. »Vielleicht überrascht sie uns ja und spricht am Montag wieder, wenn sie hier mit ihren Freunden zusammen ist.«
»Auch wenn das nicht geschehen sollte, werden wir irgendwie mit der Situation fertig«, versicherte Sondra Jackson Haley. »Ich sorge dafür, dass sie nur schriftliche Aufgaben zu bewältigen hat, bis sie wieder zu sprechen beginnt.«
»Danke, das ist eine gute Idee«, erwiderte Haley. »Mollys Entschluss, nicht zu sprechen, ist problematisch.« Sie erwähnte nicht, in welcher Hinsicht er problematisch war. Glücklicherweise war das Detail, dass Molly beim Mord an ihrer Mutter zugegen gewesen war, noch nicht nach außen gedrungen, und so sollte es auch bleiben.
Sondra Jackson lächelte. »Ihre Nichte ist ein sehr aufgewecktes, kluges Kind. Und sie kann ziemlich eigensinnig sein. Wenn sie sich in den Kopf gesetzt hat zu schweigen, dann wird nichts und niemand sie davon abbringen, solange sie selbst noch nicht dazu bereit ist.«
Frank und Angela Marcelli waren schon gegangen, als Haley
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