Nur der Tod sühnt deine Schuld
den Anrufbeantworter erreichte, teilte sie Tolliver ihre Überlegungen mit. Anschließend setzte sie sich mit einer Tasse Kaffee an den Küchentisch.
Das Wochenende war nicht nur mit Stille angefüllt gewesen. Zweimal hatte Molly sich energisch widersetzt, einmal, als Haley darauf bestand, dass sie in die Badewanne ging, und beim zweiten Mal, als sie versuchte, ihr einen Gutenachtkuss zu geben.
Bei der ersten Gelegenheit war das Mädchen schließlich ins Gästebad gestapft und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen. Und gestern Abend, als Haley sich über sie beugte, um ihr einen Kuss zu geben, hatte sie sich die Decke über den Kopf gezogen und gewartet, bis Haley das Zimmer verließ.
Diese Zurückweisung machte Haley schwer zu schaffen. Was, wenn Molly sie niemals akzeptierte? Was, wenn sie trotz des engen Verwandtschaftsverhältnisses nie lernen würde, ihre Tante zu respektieren und zu lieben?
Elf Tage, ermahnte Haley sich. Es waren doch erst elf Tage. Sie erwartete zu schnell zu viel. Insgeheim hatte sie gehofft, Molly würde in ihrem Schmerz bei ihr Trost suchen, aber das war offensichtlich nicht der Fall. Und es sah auch nicht so aus, als würde sich das bald ändern.
Das Läuten des Telefons riss Haley aus ihren Gedanken. Es war Tolliver. Er ließ sich ihren Plan genau erläutern und vereinbarte ein Treffen mit ihr und Molly für vier Uhr am selben Nachmittag.
Es würde ein voller Tag werden: Lunch mit Grey und dann der Termin mit Tolliver. Haley konnte nicht verhindern, dass Vorfreude ihr Herz höher schlagen ließ, als sie an das Mittagessen mit Grey dachte. Gestern hatte sie ihn angerufen, um die Verabredung zu bestätigen. Sie wollten sich in einem Restaurant namens Salad Shoppe treffen, wo es Grey zufolge aber nicht nur Grünzeug gab.
Haley fragte sich, was den Mann für sie so anziehend machte. Auf keinen Fall war es nur sein attraktives Äußeres. Vielleicht lag es einfach daran, dass er ernsthaft versuchte, für sie da zu sein, und dass sie, weil ihr Leben mit Molly weitgehend schweigsam verlief, jemanden zum Reden brauchte.
Um kurz nach elf stand sie in ihrem Schlafzimmer vor dem Spiegel. Das Bett lag voller Kleidungsstücke, die sie aus dem Schrank geholt, für eine Verabredung zum Mittagessen aber als unpassend verworfen hatte.
Am Ende entschied sie sich für Jeans und eine langärmelige, in Pink und Mauve gehaltene Bauernbluse mit rundem Ausschnitt. Noch etwas Mascara und ein Hauch Lippenstift, dann war sie fertig. Als sie ihr Äußeres ein letztes Mal im Spiegel überprüfte, überkam sie auf einmal tiefe Traurigkeit.
Sie freute sich auf das Mittagessen mit einem Mann, elf Tage nachdem ihre Schwester brutal ermordet worden war? Was dachte sie sich dabei? Monica war kaum unter der Erde, und sie träumte schon davon, wie die Lippen von Grey Banes schmeckten?
Sie musste die Verabredung absagen. Es war eine Sache, sich einzureden, dass er ihr mit Molly half, aber etwas ganz anderes, in romantischen Phantasien zu schwelgen. Wie um alles in der Welt kam sie darauf, sich in dieser Situation mit einem Mann zu treffen?
Sie versuchte, Grey anzurufen, aber er ging weder zu Hause ans Telefon, noch war er auf dem Handy zu erreichen. Einfach versetzen konnte sie ihn natürlich auch nicht.
Sie stieg ins Auto, fuhr zur Main Street und suchte nach der Adresse, die Grey ihr gegeben hatte. Als sie das Salad Shoppe mit der hellgrünen Markise entdeckte, fuhr sie in die leere Parkbucht davor, direkt neben Greys Auto.
Sie wollte nur eben ins Lokal hineingehen, ihm sagen, dass das keine gute Idee war, und wieder verschwinden. In dem Restaurant duftete es nicht nur nach frischem Gemüse, sondern auch nach Zwiebeln und saftigen Burgern. Haleys Magen knurrte, und erst jetzt registrierte sie, dass sie nur für Molly Frühstück gemacht, selbst aber noch nichts gegessen hatte.
Okay, vielleicht konnte sie auf einen schnellen Burger dableiben, aber sie würde das Essen auf gar keinen Fall genießen.
Grey saß in einer Nische im hinteren Teil des Raums und stand auf, als sie an den Tisch kam. »Ich esse nur schnell einen Burger, dann bin ich wieder weg«, stieß Haley hervor und setzte sich Grey gegenüber.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Stimmt was nicht?«
»Nein, ich halte das hier einfach nur nicht für richtig.« Haley griff nach der Karte und starrte auf die Schrift, erschrocken, dass ihr auf einmal Tränen in den Augen brannten.
Grey streckte die Hand aus und legte sie auf Haleys. Die Berührung
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