Nur der Tod sühnt deine Schuld
irgendwie zugetraut, aber Essen hat für mich eine hohe Priorität. Ich liebe selbstzubereitete Mahlzeiten. Also habe ich einen Kochkurs besucht, und inzwischen bilde ich mir ein, es ohne weiteres mit Emeril Lagasse aufnehmen zu können.«
»Was gibt es Verlockenderes als einen Mann, der kochen kann? Falls Sie auch noch Fenster putzen und Spannbetttücher falten können, sollten wir über eine feste Beziehung nachdenken.«
Er lachte. Sein Lachen klang wunderbar tief und sexy. »Ich muss zugeben, dass mich das Falten von Spannbetttüchern immer noch überfordert.«
»Dann überstürzen wir besser nichts«, neckte Haley ihn. Da war es wieder, sie flirteten miteinander. Es fiel so unglaublich leicht mit ihm.
Für eine Weile konzentrierten sie sich aufs Essen und machten Small Talk wie zwei Menschen, die sich zum ersten Mal begegnen.
Oberflächlich hatte es den Anschein, als hätten sie nichts gemeinsam. Gut gelaunt stritten sie über Politik: Er war ein Konservativer, sie eine Liberale. Bei Büchern und Filmen lag ihm das psychologisch Tiefgründige, während sie leichte Unterhaltung und Action-Filme vorzog.
Er trieb gern Sport, ganz im Gegensatz zu ihr. Sie aß gern Fisch, er aß lieber Steaks. Doch trotz der Unterschiede mochte sie ihn. Etwas an ihm beruhigte sie, während es sie gleichzeitig erregte.
Er sprach ein wenig über seine Eltern, die in Arizona lebten. Haley erzählte ihm von ihrem Vater, von der wichtigen Rolle, die er in ihrem Leben gespielt hatte, und wie sehr sein Tod sie erschüttert hatte. Sie erwähnte sogar seine Theorie, dass die Menschen sich in zwei Kategorien einteilen ließen, in Felsen und Drachen.
»Ihr Vater scheint ein sehr kluger Mann gewesen zu sein.«
»Das, und noch viel mehr.« Wie immer, wenn sie über ihren Vater sprach, spürte Haley einen stechenden Schmerz in der Brust. »Er war alles für mich, und dann ist er ganz plötzlich aus meinem Leben verschwunden.« Haley räusperte sich. »Sie haben recht, der Burger ist phantastisch«, sagte sie in dem Bemühen, das Thema zu wechseln, und schob sich das letzte Stück in den Mund.
»Meine schmecken besser, aber die hier kommen gleich danach.« Grey schaute auf die Uhr und lächelte entschuldigend. »Es tut mir schrecklich leid, aber ich muss jetzt los. In einer Stunde habe ich einen Termin auf dem Polizeirevier, und vorher muss ich noch nach Hause, um ein paar Akten zu holen.«
»Das war schön«, sagte Haley, als sie das Restaurant verließen. »Vielen Dank für die Einladung.«
»Für mich war es noch viel schöner.« Greys warmer Blick ruhte einen Moment auf ihr. »Deshalb würde ich es auch gerne wiederholen. Wie wär’s mit morgen?«
Haley lachte. Er raubte ihr den Atem, dieser Mann mit den aufregend blauen Augen und den Schultern, die so breit waren, dass sie die ganze Welt hätten tragen können. Gleichzeitig weckten die Schatten, die gelegentlich über sein Gesicht huschten, ihre Neugier.
»Morgen klingt gut«, sagte sie. »Selbe Zeit, selber Ort?«
»Ich freue mich drauf«, antwortete er. »Und nicht vergessen, Haley, es ist okay, nach dem Glück zu greifen, wann immer sich die Gelegenheit bietet.«
»Sie sind ein netter Mensch, Grey Banes. Wie lange waren Sie eigentlich verheiratet?« Seit sie wusste, dass er geschieden war, brannte sie darauf, etwas über seine Ehe zu erfahren.
»Sechzehn Jahre.«
»Wow, das ist lange. Was ist passiert?«
Für einen kurzen Moment blitzten Schmerz und Wut in seinen Augen auf. »Trauer ist passiert, Haley.« Er biss die Zähne zusammen und lächelte verkrampft. »Wir sehen uns morgen.«
Haley sah ihm nach und stellte in irgendeinem Winkel ihres Kopfes fest, dass Grey von hinten genauso gut aussah wie von vorn. Es war lange her, dass ein Mann sie derart fasziniert hatte.
Grey Banes war ganz anders als die Männer, mit denen sie auszugehen pflegte. Wie es schien, hatte er weder Tattoos noch Piercings; er wirkte relativ gut angepasst an diese Welt. Und er besaß eine innere Ruhe und Kraft, eine Selbstsicherheit, die anziehend waren. Aber Haley würde nicht zufrieden sein, bevor sie nicht wusste, was diese Schatten in seinen Augen verursachte. Welche Art von Trauer hatte die Ehe von Dr.Grey Banes zerstört?
»Was zum Teufel machst du da eigentlich?«, fragte sich Grey, als er im Auto saß.
War er wirklich bereit, sein seelisches Gleichgewicht für eine Frau aufs Spiel zu setzen, die emotional so instabil war? Schließlich hatte er das ganze letzte Jahr mit dem Versuch
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