Nur die Küsse zählen
nach dem Flug aus Europa erkundigt. Hannah und ihre Begleitung befanden sich gerade in der Zollabfertigung.
Mit dem Shuttlebus fuhren sie zum LAX-Terminal für internationale Flüge. Finn trug die Windeltasche über der Schulter und hielt Dakotas Hand. Sie klammerte sich an ihn. Dass sie vermutlich ein jämmerliches Bild abgab, war ihr durchaus bewusst. Aber es war ihr egal.
Im Wartebereich der Ankunftshalle wimmelte es nur so von wartenden Familien. Menschen aus Dutzenden Ländern unterhielten sich in verschiedenen Sprachen. Dakota war nicht sicher, wie sie hier eine Frau mit einem Baby finden sollte, die sie noch nie gesehen hatte.
„Ich wünschte, sie hätten mir auch ein Foto von ihr geschickt,nicht nur von Hannah“, sagte sie. „Das würde die Sache erleichtern.“
„Dakota Hendrix?“
Als Dakota sich umdrehte, sah sie eine kleine grauhaarige Nonne, die ein weinendes Baby in den Armen hielt. Das ist das kleine Mädchen von den Fotos, dachte Dakota. Sein Gesichtchen war ganz rot, und es war wesentlich kleiner, als sie erwartet hatte. Und trotzdem wurde in ihr alles still, als wüsste jede Zelle in ihrem Körper, dass dies ein ganz besonderer Moment war, wie er nur selten im Leben vorkommt.
„Ich bin Dakota“, flüsterte sie.
„Ich bin Schwester Mary, und das hier ist Ihr kleines Mädchen.“
Instinktiv streckte Dakota die Arme aus und nahm das Kind. Hannah strampelte nicht, sondern kuschelte sich in Dakotas Armbeuge und schaute sie aus großen braunen Augen an.
Hannah trug einen pinkfarbenen Body mit einem T-Shirt darunter. Beides war zerknittert und fleckig. Was in Anbetracht der langen Reise, die sie hinter sich hatte, kein Wunder war. Ihr dunkles Haar saß ein wenig unvorteilhaft wie ein Helm auf ihrem Kopf, trotzdem war sie wunderschön.
Ihre vollen Wangen waren dunkelrot, und ihr Mund bewegte sich, als sammle sie Energie für den nächsten Schrei. Durch ihre Kleidung hindurch fühlte sie sich warm an.
Finn geleitete sie zu einer relativ ruhigen Ecke des Terminals. Während die Menschen um sie herumeilten, überprüfte Schwester Mary Dakotas Papiere. Dann unterzeichneten sie beide das Übergabeprotokoll, und das war’s.
„In ein paar Tagen wird jemand von der Agentur anrufen, um einen Termin mit Ihnen zu vereinbaren“, sagte Schwester Mary. „Haben Sie schon einen Namen für sie?“
„Hannah.“
„Ein wunderschöner Name“, erwiderte die Nonne. „Sie hat eine anstrengende Reise hinter sich. Im Moment hat sie außerdem leichtes Fieber, und Sie sollten ihre Ohren untersuchen lassen. Ich glaube, sie hat eine Mittelohrentzündung.“
Die Frau seufzte, als sie Dakota eine Packung Kinderparacetamol reichte. „Das ist alles, was wir haben. Das Geld ist wirklich knapp. Es gibt so viele Kinder und so wenig Mittel. Der Arzt hat diese Reise zwar genehmigt, allerdings eher, damit sie nicht noch länger warten muss. In einer Stunde soll sie die nächste Dosis bekommen.“
Hannah hatte die Augen geschlossen. Dakota schaute sie an, hin- und hergerissen zwischen der Schönheit ihrer Tochter und der Angst, dass sie ernsthaft krank sein könnte.
„Ist sie nicht ein bisschen klein für ihr Alter?“
„Nicht im Vergleich mit den anderen Kinder. Ich habe einen kleinen Nahrungsvorrat für sie mitgebracht, ein paar Windeln und ihre Kleidung.“ Die Nonne schaute auf die Uhr. „Es tut mir leid, aber ich muss meinen Anschlussflug bekommen.“
„Ja, natürlich“, sagte Dakota schnell. „Bitte fühlen Sie sich nicht genötigt, noch weiter hierzubleiben. Ich stelle Hannah so schnell wie möglich einem Arzt vor.“
„Die Notfallnummern haben Sie ja“, fügte Schwester Mary noch hinzu und reichte Finn einen kleinen Koffer. „Rufen Sie jederzeit an, egal ob Tag oder Nacht.“
„Danke.“
Zum Abschied schüttelte Finn der Nonne die Hand. Als Schwester Mary gegangen war, wandte er sich an Dakota. „Bei dir alles in Ordnung?“
„Nein“, gestand sie leise. „Hast du gehört, was sie gesagt hat? Hannah ist vermutlich krank.“ Das Baby hatte die Augen noch immer geschlossen. Sein Atem ging regelmäßig, aber seine Haut war so rot. Sie brannte richtig unter Dakotas Finger, als sie die Wange der Kleinen streichelte. „Ich muss sie zu einem Arzt bringen.“
„Möchtest du das gleich hier tun, oder willst du lieber erst einmal nach Hause fliegen?“
„Bringen wir sie nach Hause.“ Dakota schaute auf die Uhr. Sie hatte für den späten Nachmittag bereits einen Termin beim Kinderarzt
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