Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
Bernard Cabernet zu, der mit Anne-Sophie zehn oder zwanzig Jahre in derselben Firma tätig war. Zehn oder zwanzig Jahre zu viel.“
Wer profitiert vom Tod des Piet Drachmann?“ fragte Ken Bernstein.
„Darüber habe ich auch nachgedacht“, antwortete Julien Villepin und gab sich nachdenklich. „Anne-Sophie Marrais ist augenblicklich die einzige aktive Geschäftsführerin, da verrate ich kein Geheimnis, das liegt auf der Hand. Ihr war gekündigt worden, aber ich glaube nur mündlich.“
„Bedeutet das, dass die Amerikaner es sich augenblicklich nicht leisten können, sich von ihr zu trennen?“
„Amerikaner können sich alles leisten“, sagte Julien Villepin und lachte kurz auf, „zumindest glauben sie das.“
„Da haben Sie Recht, wir Amerikaner sind überhebliche Leute.“
Ken Bernstein klatschte sich vor Vergnügen auf die Schenkel.
„Sie habe ich nicht gemeint“, sagte Julien Villepin und hob beschwichtigend seine Hand, „ich wollte sagen, bei den Amerikanern herrschen noch rauere Sitten im Geschäftsleben als hier.“
„Wie waren Piet Drachmanns Trinkgewohnheiten?“ Hatte er regelmäßige Zeiten, seinen Drink zu nehmen, trank er häufig, trank er viel?“ fragte Ken Bernstein.
„Ich habe ihn noch nie mit einem Glas Whisky in der Hand gesehen, ob Sie mir das glauben wollen oder nicht“, sagte Julien Villepin. „Er war ein Workaholic, kein Alcoholic“, fügte er mit verbindlichem Lächeln hinzu. „Er erzählte, dass er früher in seiner Zeit in Brüssel ordentlich mitgehalten hätte. Nach Begutachtung der Leberwerte hätten seine Ärzte ihm jedoch dringend vom Trinken abgeraten.“
„Am besten, man lässt sie gar nicht begutachten“ , scherzte Ken Bernstein, fuhr aber sofort darauf mit ernster Miene fort. „Könnte es sein, dass Harry Miller Sie jetzt bittet, zurück in die Agentur zukommen und die Zügel wieder zu übernehmen?“
„Oh, nein“, sagte Julien Villepin, „es gab genug hin und her, der Zug ist abgefahren.“
„Kannten Sie die Wohnung von Piet Drachmann?“
„Nein, ich weiß nur, dass er in Mandelieu wohnte und sein Haus einen Swimmingpool hatte. Aber er gab keine Einladungen. So viel ich weiß hat er niemanden von der Agentur zu sich geladen. Er war, was man hier einen eingefleischten Junggesellen nennt.“
„Hatte er Freunde, die er zu sich lud?“
„So viel ich weiß, nein. Er lebte für seinen Beruf.“ Julien Villepin dachte nach. „Ich glaube, er sah gerne Tennistourniere, er hatte sich für sein Büro einen kleinen Fernseher installieren lassen, damit er, wenn er am Wochenende arbeitete und ein interessantes Spiel lief, sich das im Büro anschauen konnte.“
Tennistourniere nehmen oft viel Zeit in Anspruch, dachte Ken Bernstein, warum setzte er sich da nicht gemütlich auf sein Sofa zuhause?
„Leben seine Eltern noch, hatte er Geschwister?“
„Komisch“, sagte Julien Villepin, „er hat nie von seinen Eltern gesprochen. Er war ein Mensch, den man nicht nach seinen Eltern fragte.“
„Er schien ein Eigenbrödler zu sein?“ stellte Ken Bernstein fest. Julien Villepin nickte im Einverständnis.
„Piet Drachmann hat Sie wenige Stunden vor seinem Tod angerufen, was wollte er von Ihnen?“
„Wer hat Ihnen das gesagt?“ Julien Villepin war sichtlich erstaunt.
„Sein Handy, die Polizei hat alle Telefonate kontrolliert und uns darüber informiert.“
„Ach so ja, klar.“
„Was hat er gewollt?“
„Eine ganz belanglose Sache. Ich habe noch einen Karton mit Unterlagen in der Firma, er bat mich, diesen Karton endlich abholen zu lassen.“
„Wann waren Sie das letzte Mal in der Firma?“
„Sie meinen der Agentur, nun, das war vor ein paar Wochen, ich habe zwar am 17. Juni im Hotel Martinez die Europa-Manager begrüßt und mich anschließend verabschiedet, aber in der Agentur war ich da schon nicht mehr.“
„Sie waren danach nie wieder in der Agentur?“
„Nie wieder.“
„Und was haben Sie am Sonntag zwischen 21 und 24 Uhr gemacht?“
„Ich war den ganzen Abend zuhause. Ich habe gearbeitet, schließlich bin ich dabei, eine eigene Agentur auf die Beine zu stellen.“
„Natürlich kann Ihre Frau das bestätigen.“
„Das kann sie.“
Ken Bernstein war schweigsam als er mit Irina Honig zurück zum Hotel Martinez fuhr.
„Ein imposanter Name und ein imposanter Mann“, war alles was Irina Honig über den Besuch zu sagen wusste.
Ken Bernstein nickte. „Er erinnert mich an meinen Schwager Dick. Dick war von der gleichen
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