Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
sich sein Gehalt kürzen zu lassen?“
Bernard hob hilflos seine Schultern. „Geld schien ihm nicht so wichtig zu sein, alles, was er gerne tat, bot ihm die Firma. Mit New York telefonieren, nach New York fliegen. ‚Ich hab mal wieder eine Reise gewonnen’ posaunte er durch die Gänge, gefolgt von einer langen Reihe von Seufzern. Dass er innerlich jedoch vor Freude hüpfte, konnte er nicht verbergen.“
„Warum waren ihm diese Reisen so wichtig?“ fragte Irina Honig. „Sie waren wohl das einzig Aufregende in seinem Leben.“
„Ich weiß“, unterbrach Irina Honig, „er war nicht verheiratet, hatte er auch keine Freundin oder Lebensgefährtin wie man heute sagt?“
„Er sprach mal von einer Freundin, einer Lehrerin, die aber nicht hier, sondern in Australien oder war es Kanada lebte? Ich kann mir diese Geschichten nie so recht merken.“
„Das bekommen wir raus“, sagte Irina Honig und hob beruhigend ihre Hand. „Monsieur Villepin hat jetzt eine kleine Agentur, glauben Sie, er wird Ihnen ein paar Aufträge zukommen lassen?“
Bernard schüttelte energisch den Kopf. „Oh, nein, da sind doch einige missliche Worte gefallen, die kann man nicht so einfach wieder einsammeln und in den Papierkorb werfen wie eine schlechte Idee.“
„Im Geschäftsleben fallen viele böse Worte und am nächsten Tag sitzen alle wieder vereint am großen Tisch.“
„In großen Firmen vielleicht“, sagte Bernard und kräuselte seine Lippen, „aber in kleinen geht das nicht auf Dauer, da muss man menschlich miteinander klar kommen.“
„Es war heute im Gespräch mit Monsieur Villepin oft der Verlust des größten Kundens, den Namen habe ich vergessen, der VMC die Rede. Warum hat die VMC diesen Kunden verloren?“ fragte Irina Honig.
„Unser größter Kunde, die ACL-Yachting, war ein herber Verlust nicht nur für Julien, sondern vor allem auch für Anne-Sophie und mich, weil Julien einfach seinen Koffer gepackt hat und den Amerikaner seine Prozente übergab, übergeben musste, das war vertraglich festgehalten worden. Verlässt ein Gesellschafter das Unternehmen hat Smith, Henderson das Vorkaufsrecht. Mit den erworbenen Prozenten von Monsieur Villepin hatte die Smith, Henderson endlich die Mehrheit der Stimmen. Wir hatten nichts mehr zu sagen.“
„Glauben Sie, dass die Amerikaner Julien Villepin zurückholen, jetzt wo Piet Drachmann nicht mehr zur Verfügung steht?“
Bernard Cabernet sah von seiner Arbeit auf und betrachtete Irina Honig, dann winkte er ab. „Ich glaube nicht, aber im Prinzip kann es mir egal sein, auch Anne-Sophie kann es egal sein, sie bleibt nur noch, bis sie ihre Gelder mit der Smith, Henderson auseinander dividiert hat.“
„Haben Sie schon alles verhandelt?“
„Das habe ich, ich hatte weniger Prozente als Julien und Anne-Sophie, da ging dann alles schneller.“
Irina Honig nickte.
„Wo waren Sie am Abend, an dem Piet Drachmann ermordet wurde, Sie verstehen, das muss ich jeden fragen.“
„Natürlich, natürlich“, sagte Bernard hastig und leise „ich war den ganzen Abend zuhause, das kann ihnen meine Frau und meine beiden Söhne bestätigen.“
„Wie alt sind Ihre Söhne.“
„Der eine ist sieben, der ältere neun.“
Bernard Cabernet würde noch lange arbeiten müssen, dachte Irina Honig.
28.
Vom Bernards Büro waren es nur ein paar Schritte zu Juliette Lamberts Wohnung. Irina Honig hatte sich bereits telefonisch angemeldet und Juliette war hoch erfreut, dass ihre Freundin, sie über ihren neuesten Fall informieren wollte. Im Fernsehen lief kein einziger sehenswerter Film, da war Irinas Live-Story höchst willkommen.
Juliette Lambert und Irina Honig hatten sich im Royal Mougins Golf Club kennengelernt. Irina hatte das Golfspiel vor ein paar Jahren aufgegeben, ihr Rücken wollte nicht mehr so recht, Juliette war in einen weniger schwierigen Club gewechselt, sie war an die achtzig, beherrschte aber noch einen technisch einwandfreien Schwung, dem jetzt natürlich die Kraft fehlte. Im Royal Mougins spielten die Freundinnen nur noch Bridge und aßen zu Mittag gerne auf der Terrasse mit Blick auf die gepflegten Fairways. Oft trafen sie sich auch in Juliettes Appartement auf der Croisette, die einen traumhaften Blick auf die Buch von Cannes und die vorgelagerten Inseln bot
Juliette begrüßte Irina Honig mit angedeuteten Küssen auf beide Wangen, um keine Lippenstiftabdrücke zu hinterlassen. Wie immer bewunderte Juliette den Pariser Chic von Irina
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