Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
Ein Kunde für den Start genügt. Wetten, der hat sich Minnesota Instruments, eine Kunde der Agentur, weichgeklopft, mit dem kommt er erst mal über die Runden.“
Irina Honig hakte nicht nach, sie wusste, dass Julien Villepin keine Sperrklausel für VMC Kunden hatte.
„Herr Drachmann und Frau Marrais verstanden sich nicht gut, hat man mir erzählt.“
„Die Marrais“, sagte Pierre Chagrin und lächelte mitleidig, „die hatte dort längst ausgespielt, tat aber noch immer so, als ob ihr der Laden gehören würde.“ Pierre Chagrin beugte sich tief über seinen Teller, sein gehetzter Mund verschlang ein Stück exotisches Brot, das wie ein kleines, aufgeblättertes Buch gebacken war, er brach ein Stück davon ab und bestrich es mit reichlich Butter. Die Nouvelle Cuisine machte ihn anscheinend nicht satt.
„Und Bernard Cabernet?“
Pierre Chagrin antwortete nicht sogleich, er war mit Kauen beschäftigt.
„Bernard“, sagte er nach einer Weile, „diese verkrampften Tüftler, die an ihren Tischen sitzen und um einen Millimeter Schriftgröße innerlich mit sich ringen, die glauben, die Welt geht unter, wenn man ihre Vorschläge nicht haargenau verkauft. Man muss etwas von der Branche verstehen. Henri Michel ist ein IT-Experte und ich verstehe was von Chips, mehr als Drachmann und Miller zusammen, das hat Monsieur Michel gleich gemerkt.“
„Was für einen Vertrag hatte die VMC Smith, Henderson mit Di-Star Deutschland?“
„Das fragen Sie mich?“, sagte Pierre Chagrin und schloss seine Augen wieder zu Schlitzen.
„Sie haben Recht, das sollte ich Mr. Miller fragen“, lenkte Irina Honig ein, „Mr. Miller erinnerte sich nicht an die Einzelheiten und die Unterlagen befinden sich augenblicklich bei er Polizei.“
Mr. Miller erinnert sich nicht. Mr. Miller kümmert sich um nichts, Mr. Miller denkt nur an seine eigene Person“, Pierre Chagrin lehnte sich weit in seinem Stuhl zurück, „diese Millers sind eine Plage auf dieser Welt. Es sind Schaumschläger, Überflieger, auf die viele reinfallen.“
Der Ober servierte die Taube, sie war winzig.
„Ich hoffe, sie ist nicht blutig“, fragte Pierre Chagrin.
Der Ober schüttelte verneinend seinen Kopf. „Sie hatten à point bestellt.“
„Es gibt jede Menge Werbeagenturen in Frankreiche, eine davon ist die kleine Smith, Henderson“, fügte er hinzu und lachte hämisch. Dann wischte er sich mit der Serviette über seinen missgelaunten Mund.
„Wo waren Sie am Abend, an dem Piet Drachmann in seinen Pool geworfen wurde.“
„Das verrate ich Ihnen nicht, das müssen Sie schon selbst herausfinden.“
„Das ist für mich ganz einfach, ich muss nur die Polizei fragen, der müssen sie es verraten.“
„Dann fragen Sie sie.“
Am Nebentisch hatten drei Japaner eine kunstvoll gestaltete Zitronencremerolle als Nachtisch bestellt. Pierre Chagrin bekam Appetit auf Zitronencreme. Irina Honig bestellte für sich ein Sorbet.
„Wäre es möglich, dass Julien Villepin mit seiner neuen Agentur sich an Di-Star Deutschland ranmachen könnte, schließlich gab es da lange keinen Vertrag?“
„ Nachtigall, ich hör dir trapsen“, sagte Pierre Chagrin und zwinkerte Irina Honig vertraulich zu. Dann lehnte er sich wieder weltmännisch zurück. „Erst die Ahnungslose spielen und dann doch wissen, dass die Smith, Henderson mit Di-Star Deutschland keinen unterschriebenen Vertrag hatte. Egal, an den Etat kann sich jeder ranmachen, nur genommen wird nicht jeder. Henri Michel und sein Partner Philip Galli sind selbständige Importeure, die können ihren Etat der Agentur geben, der sie gesonnen sind. Die müssen nicht Smith, Henderson beauftragen, diese Apotheke. Nur Villepin versteht nichts von Chips und der IT-Branche, deshalb hat er ja nicht für die Di-Star gearbeitet und Drachmann hätte einen Teufel getan, ihn in den Kunden einzuarbeiten, dann hätte er ja riskiert, seine Reisen nach Amerika zu verlieren.“
Pierre Chagrin hatte sein Dessert beendet, er bestellte mit Blick auf die Uhr die Rechnung. Der Kellner brachte sie und setzte den Silberteller dezent auf seine Seite des Tisches. Pierre Chagrin wartete bis der Kellner verschwunden war, dann schob er Irina Honig das Tellerchen zu.
46.
Irina Honig saß im Taxi auf der Fahrt in ihr Zuhause auf Cap d’Antibes. Es war Gott sei Dank nicht so spät geworden mit diesem unangenehmen Menschen. Im Business kann man sich seine Partner nicht immer aussuchen, schon gar
Weitere Kostenlose Bücher