Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
konnten. Er hatte keine Zahlen genannt. Und ob Di-Star den europäischen Markt verlassen würde stand noch in den Sternen. Seine Frau löcherte ihn täglich. Verständlich, seine Existenz stand auf dem Spiel. Die ganzen Investitionen, den Laden zum Laufen zu bringen, der immense Zeitaufwand, den Markt zu durchleuchten, alles umsonst?
Er sah auf die Uhr, die Mittagszeit war längst vorbei, Galli war aber noch nicht aus der Mittagspause zurück. Galli war ein guter Mann, aber er war nicht sehr pflichtbewusst. Er ließ Dinge gerne schluren, doch er war ein guter Verkäufer, dass musste man ihm lassen. Er hatte keine Angst vor Menschen, er ging auf Menschen zu, er war ein Meister des Small Talks. Doch manchmal fragte er sich, konnte man dem Mann trauen, würde er den ganzen Kram hinschmeissen, wenn ihm etwas nicht passte. Galli war nicht loyal. Henri Michel seufzte leise, nun, vielleicht war das nicht mehr wichtig, vielleicht würde Mr. Pittstein ihnen schon morgen verkünden, dass alles ein schöner Traum gewesen ist und dass es Zeit zum Aufwachen wäre.
Seine Frau schimpfte tagtäglich über die Globalisierung, für sie war die Globalisierung an allem schuld. Länder wie Frankreich standen in Konkurrenz zu Ländern in Asien. Stundenlöhne von 10 Euro standen in Konkurrenz zu Tages-, ja sogar Wochenlöhnen von 10 Euro. Auch die Anforderungen an die Angestellten der Großunternehmen, die sie eifrig in der Zeitung studierte, machten ihr Sorgen. Wie sollten normal begabte Menschen zu Brot und Lohn kommen, nicht jeder schaffte das Abitur oder einen Uni-Abschluss. Aber vor allem hatte die Globalisierung einen anderen Schlag Menschen geschaffen, zumindest bei den Managern. Sie waren härter, sie hatten spitzere Ellbogen, ihnen und ihren Zielen zu widersprechen war Selbstmord. Kein Wunder, dass internationale Manager mehr und mehr aus den oberen Etagen der Armee rekrutiert wurden, zumindest in Amerika. Henri Michel war gespannt auf den neuen Mann der Di-Star. Nun morgen würde er ihn kennenlernen.
Philip Galli war von der Mittagspause zurück und stand im Türrahmen. „Alles Paletti“, fragte er gut gelaunt. Er schien mehr als ein Glas getrunken zu haben. Die Ankunft des neuen Managers schien ihm keine schlaflosen Nächte zu bereiten.
„Alles Paletti“, wiederholte Henri Michel mit gerunzelter Stirn. „Schön wär’s.“ Dann guckte er Philip Galli fragend an. „Sagen Sie mal, kennenn Sie eine Frau, jetzt habe ich den Namen schon wieder vergessen, sie war gerade hier und hat sich als Lebensgefährtin von Piet Drachmann vorgestellt und wollte wissen, ob die Agentur, das heißt Drachmann vor seinem Ableben, mit uns einen Vertrag geschlossen hätte.“
„Welchen Vertrag“, fragte Galli.
„Welchen Vertrag schon, den Vertrag über die Zusammenarbeit in punkto Werbung.“
„Ach so, ja, klar. Den haben wir doch unterschrieben, Ende Juni, wenn ich mich recht erinnere“, sagte Galli. „Ich weiß immer noch nicht, ob das eine gute Entscheidung war. Wir hätten es billiger haben können mit einer anderen Agentur. Natürlich nicht mit diesem Chagrin, aber es gibt andere Agenturen, die nicht so teuer sind wie Smith, Henderson.“
„Das Thema haben wir doch lang und breit abgehandelt“, sagte Henri Michel und wandte sich wieder seinem Bericht zu.
Philip Galli setzte ein beleidigtes Gesicht auf und verschwand in sein Büro.
„Fragen Sie Frau Marrais beim nächsten Treffen, ob sie diese Frau kennt, diese Monique Lemaitre“, rief Henri Michel seinem Partner nach.
51.
Chuck Kaybody hatte Paul Katz zu sich gebeten.
Mit verschwörerischem Blick teilte er Paul mit, dass dieses
Gespräch top secret sein müsste. Top secret wiederholte er.
Paul Katz’ Augen weiteten sich vor Neugier.
„Sie waren noch nicht da, als die Telenova uns seinerzeit gekauft
hatte ...“
„Ich weiß, ich bin ein Jahr später gekommen“, unterbrach Paul
Katz.
„Gut, damals hatte die Telenova einen Haufen Geld, sie produzierten eine erfolgreiche Serie nach der anderen, mit dem Geld, wie Sie wissen, kauften sie alle möglichen, teils branchenfremde Unternehmen, so auch uns.“
Paul nickte bedächtig. Seit Beginn seiner Tätigkeit für
Smith, Henderson war er äußerst besorgt über die Tatsache, dass die Agentur in fremden Händen lag, dazu noch in so unsicheren Händen wie einer Filmproduktion.
„Hat die Telenova Schwierigkeiten“, fragte er mit ängstlichen Augen.“
Chuck Kaybody nickte, lange und
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