Nur dieser eine Sommer
Menge solcher Redensarten und Sprichwörter von Cara übernommen, „Ohne Fleiß kein Preis“ etwa oder „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“. Das war genau die Sprache, die ihr schon immer gefallen hatte. Am allermeisten mochte sie daran, dass man damit exakt das sagen konnte, was man meinte. Früher hatte sie solche Redensarten immer als Angeberei abgetan, mittlerweile jedoch erkannt, dass man sich damit umständliche Erklärungen ersparte. Bei diesem Gedanken hob sich ihre Stimmung nun doch, und sie schlug das Buch auf.
Sie rechnete gerade an einer quadratischen Gleichung herum, als ein Geräusch sie ablenkte. Sie hörte das Knirschen von Kies, als ob ein Wagen in die Hofeinfahrt eingebogen wäre. Toy lag mucksmäuschenstill, die Ohren gespitzt, doch alles blieb ruhig. In ihrem gemütlichen Zimmer fühlte sie sich geborgen; Angst hatte sie keine. Außerdem hatten jede Menge Leute ihre Fahrzeuge draußen am Straßenrand abgestellt, um sich vom Strand aus das Feuerwerk anzusehen. Also knobelte sie weiter an ihrer Rechenaufgabe herum, nagte dabei an der Lippe und wünschte sich Cara herbei, denn die hätte ihr bestimmt auf die Sprünge helfen können. Kurze Zeit später vernahm sie dann doch noch etwas, diesmal allerdings das unmissverständliche Knallen und Krachen der ersten Feuerwerkskörper.
Sie legte den Stift hin und lauschte. Die Knallerei schien ganz in der Nähe stattzufinden. Vielleicht sehe ich ja von der Veranda aus etwas, erwog sie, und gerade in dem Augenblick, als sie hinaustrat, gab es wieder einen gewaltigen Knall, und ein Feuerregen ergoss sich über den Nachthimmel. An das Geländer gelehnt, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und starrte angestrengt in östliche Richtung. Das Feuerwerk wurde drüben, auf Sullivan’s Island, abgebrannt. Zwei Raketen explodierten gerade kurz hintereinander.
„Oh, Baby“, sagte sie aufgeregt, „wenn du das erleben könntest!“
„Tu ich doch!“
Die Stimme aus dem Dunkel ließ Toy erschreckt zusammenfahren. Ihr Herz pochte so heftig, dass sie glaubte, es könne in Stücke reißen. Wem die Stimme gehörte, das wusste sie nämlich auch ohne Licht.
„Darryl!“
Unten raschelte etwas, und tatsächlich – da war er, stand an der Verandatreppe, die Hände in den Hosentaschen, einen Fuß bereits auf der untersten Stufe. Toy war sich im Klaren, dass sie eigentlich ängstlich oder sauer reagieren sollte, doch was sie fühlte, war nur dieser verräterische, lustvolle Schauer, wie immer, wenn sie in diese babyblauen Augen blickte.
Es war so lange her, seit sie ihn zuletzt gesehen, ja, seit ein Mann sie so angeguckt hatte wie er – nicht mit Abneigung oder Desinteresse, nein, sondern auf eine Weise, wie es eine Frau gern hatte. Und gut schaute er aus! Adrett. Sein braunes Haar war kürzer, auch in einem anderen Stil geschnitten, sodass es sich locker um Nacken und den offenen Hemdkragen kräuselte, was richtig sexy wirkte. Seine dunkelblauen Jeans wiesen keinerlei Flecken oder Löcher auf.
„Du hast ja ’ne neue Frisur“, stellte er fest.
Sie wurde rot; ihre Hand zuckte hoch, und sie strich sich verlegen eine Strähne hinter das Ohr. Offenbar mustert er mich ebenso genau wie ich ihn, dachte sie. „Ich … ich wollte mal etwas … Reiferes ausprobieren.“
„Du siehst richtig hübsch aus!“
Sie erinnerte sich daran, wie nett er sein konnte, und entspannte sich leicht.
„Was suchst du denn hier?“ fragte sie und schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hab dich doch gebeten, nicht herzukommen!“
„Ich will dir keine Scherereien machen“, erwiderte er. „Ich hab später ’nen Auftritt im ‚Windjammer‘ hier auf der Insel, also hielt ich’s für ’ne gute Idee, mal herzufahren und zu gucken, wie’s dir geht. Das ist alles. Ehrenwort!“
Es lag an seinem Blick, dass sie schließlich nachgab – die traurigen Augen eines kleinen Jungen, die an ihren Mutterinstinkt appellierten. „Der ‚Windjammer‘? Das ist echt ein Superschuppen“, meinte sie.
Er kam etwas weiter die Treppe hinauf, bedächtig, Stufe für Stufe. „Stimmt. Wird vielleicht der Durchbruch, hoffen die Jungs und ich wenigstens. Wer weiß, wer alles im Publikum sitzt? Diesmal könnte es klappen.“ Mittlerweile stand er unmittelbar vor ihr und starrte sie an. Besonders groß war er nicht, nicht mal so groß wie Cara. Toy konnte schon sein Rasierwasser riechen. Vor Verlangen wurde ihr ganz flau im Magen.
„Mir ist eingefallen, wie du früher
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