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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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vor!“
    „Das behauptest du! Ich habe mich selbst mit den Ärzten unterhalten, und von denen hat keiner angedeutet, dass sie stirbt. Menschenskinder! Wenn’s so wäre, läge sie längst im Krankenhaus!“
    Cara konnte ihn nur ungläubig anstarren. Entweder hatten die Ärzte ihn hingehalten, oder er hatte nicht richtig zugehört. „Mama will nicht ins Krankenhaus! Sie möchte zu Hause sterben!“
    „Sie stirbt nicht“, wiederholte er.
    „Palmer, es steht schlimm um sie. Sie möchte dich unbedingt sehen, fragt dauernd nach dir. Und nach den Kindern auch!“
    „Du weißt genau, dass wir gern öfter rüberkämen, aber es geht nicht. Julia rennt wegen der Kinder in einem fort von Pontius zu Pilatus. Außerdem waren wir doch neulich erst da!“
    „Ich meine nicht nur die Kinder! Du selbst hast Mama schon über einen Monat nicht besucht!“ In ihrer Stimme schwang ein anklagender Unterton mit.
    „Ich hatte zu tun“, antwortete er. „Du bist diejenige mit der vielen Freizeit. Zudem hat Mama dich ja zur Pflegerin bestimmt. Dich und dieses Mädchen.“
    Cara war außer sich vor Empörung. „Einfach unglaublich, wie du das alles auf die leichte Schulter nimmst! Faselst daher von Terminen oder von zu viel zu tun … und das in dieser Situation! Wovor hast du eigentlich solchen Bammel? Dass Mama tatsächlich stirbt?“
    „Wie gesagt …“
    „Oder bist du ihr böse?“ fuhr sie dazwischen. Er klappte den Mund zu – ein sicheres Anzeichen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. „Ich weiß, dass ihr euch am Unabhängigkeitstag gezankt habt. Du hast sie verstört, Palmer!“ Zu ihrer Erleichterung spiegelte sich in seinen Augen so etwas wie Schuldbewusstsein. „Aber mir verrät sie nichts, und ich frage auch nicht nach. Mich interessiert überhaupt nicht, worum es bei eurem Streit ging. Aber du wirst doch wohl nicht die beleidigte Leberwurst spielen wollen, während deine Mutter nicht mehr lange zu leben hat! So viel Schneid wirst du doch wohl aufbringen!“
    Seine Kinnladen zuckten, und seine Augen blitzten vor Zorn. „Du bist nun wirklich die Letzte, die sich ein Urteil über mein Verhältnis zu Mutter erlauben darf! Ich habe mich weit länger um sie gekümmert als du!“
    „Das streitet auch niemand ab, Mama am allerwenigsten! Doch jetzt braucht sie dich! Jetzt! Und ich genauso!“
    „Offenbar hast du doch drüben alles im Griff! Alles verläuft exakt nach deinen Vorstellungen.“
    „Ich bin nicht sicher, ob …“
    „Du machst das großartig“, spottete er und stand auf. „Echt klasse. Ich lasse mich bei Gelegenheit mal blicken. Und falls Not am Mann ist – ruf mich an, okay? Entschuldige, ich muss los.“
    Er wimmelt mich ab! Wie vor den Kopf geschlagen, erhob sie sich brüsk, eilte ihm in den Eingangsbereich nach und ließ ihrem Zorn freien Lauf. „Was ist bloß in dich gefahren?“ fauchte sie. „Ist dir deine eigene Mutter so gleichgültig?“
    „Wage es ja nicht, meine Liebe zu meiner Mutter anzuzweifeln!“ brüllte er ihr ins Gesicht. „Für wen hältst du dich eigentlich? Du hast doch von Liebe keine Ahnung! Wer hat sich denn all die Jahre um Mama gekümmert? Als du oben in Chicago warst? Na? Wer? Ich! Du bist ja abgehauen!“
    „Rausgeflogen bin ich!“
    „Ja, aber nur weil du dich mit dem Alten angelegt hast!“
    Sie standen sich gegenüber, Zentimeter nur voneinander entfernt, starrten sich zornbebend an, und beiden fiel jener Abend wieder ein.
    Cara trat einen Schritt zurück und fasste sich zitternd an die Schläfe.
    „Ach, zum Teufel!“ fluchte Palmer, die Hände in die Hüften gestemmt, und schaute durch die wunderbar gearbeiteten Sprossenfenster neben der Haustür. „Damals war ich richtig stolz auf dich!“
    „Ich wüsste nicht, wieso“, gab sie leise zurück. „Ich schäme mich, wenn ich nur dran denke.“
    „Ich habe mich aus tiefster Seele gehasst, weil ich ein solcher Hasenfuß war! Und dich habe ich gehasst, weil du weg warst und ich es ausbaden musste.“
    „Mir blieb keine Wahl.“
    Er zuckte mit den Schultern, als wolle er die schwere Last dieser Erinnerung abschütteln.
    Cara bemerkte die Körpersprache, das vorgereckte Kinn, die zusammengekniffenen Augen, und plötzlich sah sie ihren Bruder vor sich, wie er damals gewesen war: Der nach außen hin hellwache Teenager, der ältere Bruder, der so gern lachte und Geschichten erzählte, hatte sich innerlich mit manchem herumgequält. „Ich meine, du solltest Mama unbedingt besuchen. Ich an deiner Stelle würde

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