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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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bevorzugt behandelt, und immer noch schmerzte es genauso wie damals, als Cara noch Kind gewesen war und Lovie alles, was Palmer tat oder ließ, in höchsten Tönen gepriesen hatte, wohingegen Caras hart erarbeitete Erfolge beiläufig zur Kenntnis genommen worden waren. Sein Zeugnis mit der Durchschnittsnote Zwei minus hatte sie auf dem Kühlschrank aufgestellt. Caras Einser-Zensuren hingegen waren als eine Selbstverständlichkeit betrachtet worden.
    Selbst erstaunt über die Heftigkeit ihres Zorns, massierte sie sich die Stirn. Ihre Hand zitterte sogar! Dabei war es doch absurd, im Alter von vierzig Jahren noch auf den Bruder eifersüchtig zu sein! Sie schämte sich deswegen.
    Dann fiel ihr Blick auf die Sofakissen. Mit entschlossener Miene ging sie geradewegs darauf zu, ballte die Faust und begann, auf die Dinger einzudreschen, immer und immer wieder. Toy applaudierte ihr lachend.
    „Nur zu, feste! Tut gut, nicht wahr?“
    Cara trat zurück, nickte, die Hände in die Hüften gestemmt, und holte tief Luft. „Du hattest Recht. Ich bin tatsächlich sauer. Sauer auf Palmer, sauer auf meine Mutter, und besonders sauer deshalb, weil ich mich wieder in dieses Familienchaos habe hineinziehen lassen! Dabei bin ich doch eigens von daheim geflohen, um dem ganzen Kram zu entkommen. Und wo bin ich jetzt? Wieder hier. Ich stecke erneut in demselben Morast fest.“
    „Das stimmt doch gar nicht! Sie tun etwas Schönes, etwas Richtiges, indem Sie Ihre Mama betreuen. Wenn sie einmal nicht mehr ist, haben Sie immerhin die Gewissheit, Ihr Möglichstes getan zu haben. Das wird Ihr Bruder nicht von sich behaupten können.“
    „Mag schon sein“, erwiderte Cara und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Trotzdem ist es schade. Es bricht mir das Herz, denn ich weiß, dass er sie sehr gern hat.“
    „Vielleicht erträgt er es nicht, sie krank zu sehen. Manche können das nicht aushalten.“
    „Er ist immer verwöhnt worden. Zuerst von seiner Mutter und jetzt von seiner Frau. Deshalb überlässt er die unangenehmen Angelegenheiten gern den Frauen.“
    „So sind die Männer!“
    „Ich halte normalerweise nicht viel von solchen Klischees, aber der Sozialarbeiterin zufolge ist Krankenpflege hier zu Lande überwiegend Frauensache.“
    „Ist doch kein Wunder! Die Männer halten sich da raus.“
    „Aber das ist doch kein Zustand! Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit aller Kinder, sich um ihre kranken Eltern zu kümmern.“
    Toy protestierte gegen diesen Anspruch. „Na, also ich jedenfalls werde meine später nicht betreuen.“
    „Sei dir da nicht so sicher! Als ich in deinem Alter war, dachte ich ähnlich wie du. Und jetzt stehe ich hier nach zwanzig Jahren … und ich danke dem Herrgott dafür! Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich meiner Mama vor ihrem Tod nicht noch einmal hätte sagen können, dass ich sie liebe.“
    Toy kämpfte sichtlich mit den Tränen, dann meinte sie: „Wissen Sie, meine Mama musste sich auch um ihren kranken Vater kümmern, bis der starb. Er war ein schrecklicher Trunkenbold, aber sie mochte ihn trotzdem. Immerhin hatte sie Unterstützung von ihrer Schwester.“
    „Und ich habe dich.“
    Toy machte erst große Augen, schaute dann in eine andere Richtung und nestelte an ihrem Staublappen herum. „Na, ich bin in letzter Zeit ja nun wirklich keine große Hilfe gewesen! Tut mir Leid, dass ich letztens so viele Abende unterwegs war. Ich hätte Sie nicht allein lassen dürfen.“
    „Du brauchst auch Zeit für dich selbst. Du bist jung und durchlebst selbst eine schwierige Phase.“
    „Ach, mir geht in letzter Zeit so vieles durch den Kopf“, seufzte Toy. „Alles ist so verwirrend. Nun werde ich bald Mutter, dabei bin ich fast noch ein Kind!“ Ihre Stimme wurde weinerlich. „Ich … ich … was mache ich bloß mit einem Baby? Wie soll ich für das Kind sorgen?“
    Gütiger Himmel! Cara guckte betreten. Bei all der Belastung hatte sie keinen Gedanken an Toys Situation verschwendet, sie zwar nicht direkt vergessen, aber doch ignoriert. Nun zermarterte Cara sich das Hirn und fragte sich, wie sie dem Mädchen aus der Patsche helfen konnte. Schaffe ich es überhaupt, noch eine zusätzliche Krise zu bewältigen? überlegte sie. Ich habe doch ohnehin schon das Gefühl, ausgebrannt zu sein!
    Kraftlos ließ sie sich aufs Sofa sinken und klopfte einladend neben sich auf das Kissen. Toy setzte sich zögernd zu ihr.
    Cara hoffte, dass das Mädchen zumindest über seine Lage nachgedacht hatte. „Was

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