Nur dieser eine Sommer
hast du denn bislang geplant?“ erkundigte sie sich.
Toy atmete hörbar ein. „Also, zuerst hole ich den Schulabschluss per Fernkurs nach. Die Prüfung findet schon bald statt. Eigentlich habe ich ein ganz gutes Gefühl. Was danach kommt, weiß ich noch nicht so recht. Vermutlich werde ich mir wohl einen Job suchen, um möglichst bald Geld für mich und das Kleine zu verdienen.“
Vermutlich?
„Hast du was Spezielles im Sinn?“
„Nö, irgendwas, wenn nur die Bezahlung stimmt und die mich krankenversichern. Was, das ist mir egal.“
„Hast du denn irgendetwas gelernt? Berufserfahrung auf irgendeinem Gebiet? Macht dir etwas besonderen Spaß?“ Cara startete einen letzten Versuch.
Toy guckte nur trübsinnig zu Boden und zuckte die Achseln.
„Wer soll den auf das Baby aufpassen, während du arbeitest?“
„Keine Ahnung.“ Toys Stimme war kaum zu vernehmen.
„Bist du schon in Kontakt zu Kinderkrippen getreten?“
Toy schüttelte den Kopf.
„Ja, meine Güte!“ rief Cara, und ihre Frustration war kaum zu überhören. „Was hast du denn überhaupt gemacht?“
Toy griff nach einem Kissen und presste es sich an die Brust. „Ich wollte erst einmal die Prüfung machen.“
Cara schloss die Augen. Das Ganze übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Toy hatte nichts, aber auch gar nichts für ihre Zukunft geplant, eine Fahrlässigkeit, die für eine zielstrebige und erfolgsorientierte Person wie Cara unfassbar war. Cara erinnerte sich an eine Äußerung ihrer Mutter. Sie hatte Toy mit Cara im Alter von achtzehn Jahren verglichen. Toy war als kindlich, Cara hingegen als Mädchen beschrieben worden, das immer schon gewusst hatte, wo es langging. Zielstrebigkeit und Selbstbewusstsein – waren das Charakterzüge, mit denen man bereits auf die Welt kam, oder ließen sich diese Qualitäten erlernen? Es war aber auch wirklich merkwürdig! Bei allem, was mit dem Haushalt zusammenhing, hatte sich Toy als außerordentlich umsichtig erwiesen. Wie also kam es, dass eine junge Frau, die ansonsten jeden noch so kleinen Fleck fortwischte, untätig herumsaß und seelenruhig zuschaute, wie ihr Leben in tausend Scherben zerbrach?
Die Antwort, wie immer sie auch ausgefallen wäre, tat nun nichts mehr zur Sache.
„Du brauchst ja nicht von heute auf morgen hier auszuziehen, das ist dir doch klar, oder?“ fragte Cara.
„Natürlich. Aber ewig kann ich hier auch nicht bleiben. Miss Lovie ist … ach, Sie wissen doch, ihre Zeit ist begrenzt. Und Sie? Sie fahren doch sicher wieder nach Chicago zurück, oder?“
„Ja. Ich werde wieder abreisen. Nachdem …“ Sie konnte den Satz nicht beenden.
„Dann muss ich also überlegen, was aus mir wird.“
Cara befürchtete, dass ihr die Aufgabe zufallen würde, dieses Problem für Toy zu lösen. „Keine Sorge. Wir haben noch etwas Zeit. Wir werden schon etwas für dich finden“, beruhigte sie das Mädchen.
Toy nickte nur und zupfte am Kissen herum.
Von der Zuversicht, die Toy zu Anfang des Sommers noch ausgestrahlt hatte, war nicht mehr viel übrig geblieben. Vor ein paar Wochen noch waren für sie die Tage lang und voller Pläne gewesen. Nun lief ihr die Zeit davon. Da erging es ihr nicht anders als Cara.
Am folgenden Abend lagen die Nerven endgültig blank.
„Ich bin doch nicht Toys Mutter“, schluchzte Cara. „Auch nicht die Mutter meiner Mutter! Ich bin niemandes Mutter!“
„Das nicht, aber ’ne Furie!“ schimpfte Brett. „Zieh deine Krallen ein, bevor noch Blut fließt!“
Stöhnend streckte sich Cara auf dem Bett aus. „Brett, ich halte das nicht mehr aus! Entweder gehe ich jeden Augenblick in die Luft, oder ich lasse alles stehen und liegen, je nachdem, was mir zuerst einfällt.“
Er stützte sich auf einen Ellbogen und richtete den Oberkörper ein wenig auf. Sie schaute ihn flehentlich an. An seiner Seite konnte sie ganz sie selbst sein. In Bretts Ruhe lagen stille Kraft und ausgeglichene Herzlichkeit, wenngleich unter der Oberfläche auch etwas Mysteriöses, Gefährliches zu lauern schien.
„Niemand verlangt von dir, dass du so tust, als wärst du ihre Mutter“, sagte er mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme.
„Ich habe aber trotzdem das Gefühl, als wär ich’s.“ Sie verbarg das Gesicht in den Händen, ließ sie aber, gequält stöhnend, wieder sinken. „Es ist schrecklich, wenn man meint, die Mutter seiner eigenen Mutter zu sein“, gestand sie. „Man kommt sich vor wie ein Monstrum! Zuweilen benimmt sie sich wie ein kleines Kind,
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