Nur dieser eine Sommer
überkam sie, die sich rasch zu einem hässlichen Verdacht auswuchs. Es war nicht schwer, sich ein infames, abgekartetes Spiel auszumalen. Als Angehöriger der Rechtsabteilung musste Richard von den Massenentlassungen, die auf die Belegschaft zurollten, gewusst haben. Und dann Beförderung? Das ließ nur einen Schluss zu: Richard verfügte über Insiderwissen. Mit Sicherheit hatte er Caras Namen auf der schwarzen Liste gesehen, sich wohlweislich auf Dienstreise begeben und andere die Drecksarbeit tun lassen. Dieser elende Feigling, durchzuckte es Cara. Lässt mich ungerührt zum Hinrichtungsblock gehen! Mit verbundenen Augen! An meinem Geburtstag! Aufgebracht nestelte sie am Telefonkabel herum.
„Miss Rutledge?“
„Freut mich für ihn“, erwiderte sie betont gleichmütig. „Dann beziehen Sie sicher ein neues Büro und haben momentan alle Hände voll zu tun, was?“
„O nein! Der Umzug ist schon gelaufen. Offiziell wurde die Beförderung erst diese Woche ausgesprochen, doch wir wussten natürlich Bescheid und konnten schon im Voraus packen. Mr. Selby wollte zunächst die Entlassungen abwarten und seine Beförderung erst danach bekannt geben. Ach …“ Sie verstummte plötzlich. Offenbar war ihr auf einmal eingefallen, dass Cara ebenfalls zu den Betroffenen gehörte. „Tut mir Leid für Sie, Miss Rutledge. Aber es traf Sie ja sicherlich nicht unvorbereitet …“ Es klang wie eine verlegene Frage.
„Selbstverständlich nicht“, versicherte Cara. In Wirklichkeit hatte sie das Gefühl zu ersticken.
„Mr. Selby befindet sich augenblicklich in einer Besprechung. Ich weiß jedoch, dass er unbedingt mit Ihnen reden will. Wie gesagt, er hat ein ums andere Mal angerufen. Ich werde ihm unverzüglich mitteilen, dass Sie verreist sind. Kann er Sie telefonisch erreichen?“
Cara schwieg erst einmal. Zu sehr ging ihr diese Niedertracht an die Nieren. „Nein“, wehrte sie dann ruhig ab. „Bestellen Sie ihm bitte, ich melde mich von unterwegs.“ Und um zu betonen, dass sie nach wie vor mit Richard liiert war, fügte sie noch hinzu: „Natürlich über seinen Privatanschluss!“ Immerhin wollte sie den Schein wahren. Dann legte sie auf.
Mehr als bloßer Schein war ihr Verhältnis im Augenblick auch nicht, eine hässliche, abstoßende Fassade, weiter nichts. All das Vertrauen, all die persönliche Nähe, die vielen gemeinsam verbrachten Stunden – Schall und Rauch! Am liebsten hätte Cara die Empörung, die nun in ihr aufstieg, gellend herausgeschrien. Die Hand schon griffbereit am Telefonhörer, rang sie mit sich selbst, hätte liebend gern angerufen und ihm ein paar geharnischte Dinge auf seine bescheuerte Anrufmaschine gebrüllt.
Doch dann ballte sie nur die Hand zur Faust und ließ den Arm seitlich am Körper herabhängen. Eher fallen Weihnachten und Ostern auf einen Tag, dachte sie, als dass ich den auch nur einmal anrufe, den Lumpen! Sicher, sie fühlte sich gekränkt und kochte vor Wut, aber sie war nicht so naiv, ihm eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen, damit er diese dann zur allgemeinen Erheiterung irgendwelchen Leuten vorspielen und sich womöglich noch einen Drink auf ihr Wohl dabei genehmigen konnte. Fehlte nur noch, dass man ihm anerkennend auf die Schulter klopfte, weil er, als die Sache haarig wurde, so elegant die Kurve gekriegt hatte. Vor Schmerz kniff Cara die Augen zusammen. Wie hatte er ihr das nur antun können? Eine derartige Skrupellosigkeit hätte sie ihm niemals zugetraut, zumindest nicht ihr selbst gegenüber. Zugegeben, man war nicht verheiratet, doch Caras Ansicht nach allemal ein hervorragendes Team gewesen! Es gab so viele schöne Erinnerungen, so viele Momente, in denen sie sich sehr nahe gewesen waren, zahlreiche glückliche Augenblicke, die sie gemeinsam genossen hatten. Sie alle fielen Cara jetzt wieder ein.
Benommen hockte sie nun auf dem harten Holzstuhl und starrte aufs Meer.
Dann brach sie in Gelächter aus.
Zunächst kam es stoßweise, ein kurzes, bellendes Auflachen, in das sich ungläubiger Spott mischte, als wolle sie sich selbst verhöhnen. Schließlich konnte sie sich gar nicht mehr halten vor Lachen. Ach, das ging doch auf keine Kuhhaut mehr! Lag es an einer besonders vermaledeiten Sternenkonstellation, dass diese wahre Katastrophenserie über sie hereinbrach? Gerade vierzig geworden, den Job verloren und nun auch noch den Laufpass erhalten! Hätte ich einen Hund, vermutete Cara, wäre der gewiss von einem Auto überfahren worden. Was hielt das
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