Nur dieser eine Sommer
tauchte auf, Block und Bleistift gezückt, bereits ebenmäßig braun gebrannt und ganz offensichtlich bemüht, diese Bräune auch zu demonstrieren. Cara bestellte eine Cola Light und einen Krabbensalat nach kreolischer Art. Beides wurde im Handumdrehen serviert, und sie konnte ein mehr als üppiges Gericht in Angriff nehmen. Als sie sich anschickte, den ersten Bissen auf die Gabel zu spießen, hatte sie das merkwürdige Gefühl, dass jemand sie beobachtete. Und als sie sich daraufhin umdrehte, blickte sie in ein Augenpaar vom gleichen Tiefblau wie der Himmel, der sich draußen über dem Ozean spannte.
Sie fühlte sich so schlagartig von diesen blauen Augen angezogen, die einem Mann gehörten, dass sie das Kribbeln bis in die Zehen spürte. Er saß an der Bar und musterte Cara eingehend, die Ellbogen auf den Tresen gestützt, den Kopf in ihre Richtung gewandt. Die breiten Schultern schienen den ausgebleichten Stoff des Hemdes schier sprengen zu wollen. Das dichte braune Haar war windzerzaust; Bartstoppeln zierten Kinn und Wangen; in den Augenwinkeln zogen sich Lachfältchen durch wetterbraune Haut. Alles in allem strahlte er unterschwellige Kraft und gereifte Persönlichkeit aus. Ein Jüngling war er jedenfalls nicht mehr.
Er hockte mit drei Freunden zusammen, und die Jungs wirkten wie vier nette Typen von nebenan, die in ihrer Stammkneipe ein Bier zischen. Der bärtige Rotschopf zur Rechten lehnte sich vertraulich zur Seite, flüsterte ihm etwas ins Ohr, lachte auf und schaute kurz in Richtung Cara. Sie bemerkte, wie der Blick des Breitschultrigen von ihrem Gesicht zu ihren Schuhen wanderte und wie sich seine Lippen langsam zu einem genüsslichen Grinsen verzogen, so, als habe er soeben die Pointe eines Witzes verstanden. Dann wandte er sich ab und widmete sich wieder der Baseball-Übertragung im Fernsehen.
Cara spürte, wie ihr die Schamröte siedend heiß in die Wangen stieg. Es wurde ihr peinlich bewusst, dass ihre verzierten Riemchensandalen, die man in der City wahrscheinlich für todschick gehalten hätte, in diesem Ambiente lächerlich aussehen mussten.
„Zahlen, bitte!“ rief sie und gab der Kellnerin ein Zeichen, woraufhin die junge Bedienung forschen Schrittes herbeieilte und bereits unterwegs den Betrag auf die Quittung kritzelte. Cara hielt dem Mädchen die Scheckkarte unter die Nase, ehe es überhaupt etwas sagen konnte. Im Nu war die Zeche bezahlt; Cara erhob sich, ging am Tresen vorbei, ohne die Männerriege zu beachten, und verließ das Lokal.
Das gleißende Licht blendete sie, und die Sonnenstrahlen brannten auf den geröteten Schultern, doch Cara war so in Rage, dass sie sich davon nicht irritieren ließ. Der Zorn, die erste echte Gefühlsregung seit Tagen, tat ihr richtig gut, ja, besser noch, jetzt hatte sie ein Ziel. Forschend guckte Cara von links nach rechts und stellte fest, dass die Straße mittlerweile wegen der Hitze menschenleer war. Ausgefallene Wandgemälde prangten an weiß getünchten Gebäuden; es gab Eiscafés und Pizzabuden, einen Laden für Surfzubehör und ein kleines Hotel. Schließlich fiel ihr Blick auf eine winzige Boutique, vor der ein Papagei lauthals allerlei Pfeiftöne und anrüchige Sprüche hören ließ. Cara gab sich einen Ruck und überquerte lächelnd die Straße. „Gut gemacht“, lobte sie den Plappervogel und betrat den Laden.
Die Verkäuferin war zwar noch jung, doch offenbar keineswegs unerfahren. Sofort musterte sie die eintretende Cara mit kennerischer Miene und kam eilfertig hinter ihrer Ladentheke hervor, als habe sie gleich erkannt, dass diese Kundin in der Klemme steckte.
„Was kann ich für Sie tun?“ erkundigte sich das Mädchen betont fröhlich.
„Wo sind die Kabinen?“ fragte Cara zurück, nahm flott die Stellagen mit den sauber gefalteten Textilien in Augenschein und traf ruckzuck ihre Wahl: zwei Paar Shorts, vier T-Shirts, ein Jogginganzug aus dünnem Stretchmaterial, genau das Richtige für abendliche Strandläufe, zwei Badeanzüge, ein Strandmantel aus dünnem Frottee, ein langes, fließendes Baumwollkleid mit Blumenmuster und ein blaues Strandtuch, dem sie nicht widerstehen konnte. Das alles schleppte sie mit in die Umkleidekabine, um nur wenig später wieder aufzutauchen. Nun trug Cara Khakishorts und ein weißes T-Shirt. An beiden Sachen baumelten noch die Preisschilder, die von der amüsierten Bedienung kurzerhand abgeschnitten wurden. Caras Seidenensemble landete, sorgfältig zusammengefaltet, in einer Einkaufstüte.
Zu guter
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