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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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grauenhafter!“
    „Ich hatte es ursprünglich vor, aber dein Vater spielte nicht mit. Brauchst gar nicht so zu lachen! Es war mein voller Ernst!“
    Cara klopfte den Takt der Musik aufs Lenkrad. Wie locker man auf einmal miteinander umging, wo doch vor ein paar Tagen noch solche Spannungen geherrscht hatten! Sie und Toy waren einander zwar höflich, aber bewusst distanziert begegnet, etwa wie zwei Faustkämpfer, die sich vor der ersten Runde argwöhnisch taxierten. Mit jedem Tag allerdings wuchs Caras Respekt, weil sich einfach nicht übersehen ließ, mit welchem Fleiß das Mädchen seine Arbeit im Haus verrichtete.
    Sie wandte leicht den Kopf zur Seite, um etwas von dem rasanten Wortwechsel zwischen Toy und Lovie mitzubekommen. Lovie hatte sich im Beifahrersitz umgedreht und erörterte offenbar mit dem Mädchen die Herstellung eine Marinade unter Verwendung von Sesamöl und Knoblauch. Dass die beiden sich mochten, war nur zu offensichtlich. Kaum trafen sie aufeinander, schwatzten sie drauflos wie zwei Plaudertaschen. Cara, die sich niemals so natürlich ihrer Mutter gegenüber verhalten konnte und das Ganze nun durch die schützenden dunklen Gläser ihrer Sonnenbrille beobachtete, verspürte sogar so etwas wie Eifersucht. Mutter und Tochter gaben sich zwar alle Mühe, die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, zu überwinden, aber für Heiterkeit und Geplauder war die Distanz noch zu groß.
    Es dauerte seine Zeit, bis die Hebebrücke sich wieder senkte, doch dann ging die Fahrt weiter, über den Fluss und durch die Feuchtniederungen Richtung Mount Pleasant.
    Plötzlich fiel Cara die Abmachung mit ihrem Bruder ein. „Wir müssen unterwegs noch Krabben einkaufen“, sagte sie und hielt nach der beschriebenen Abzweigung vom Coleman Boulevard Ausschau. „Weiß jemand, wo hier die Verkaufsbude steht?“
    Ihre Mutter lachte fröhlich auf. „Gegenüber von Shem Creek, nächste Straße links. Nicht zu fassen, dass du das vergessen hast! Dabei hat dein Vater dich so oft dorthin geschleppt!“
    „Selektives Gedächtnis“, gab Cara schnippisch zurück, bog in die Seitenstraße ein und fand sich im Nu in einem verwinkelten Labyrinth enger Gassen wieder, in einem Altstadtviertel mit gewaltigen, moosbedeckten Eichen und entzückenden kleinen Häusern. Palmers Anweisung entsprechend hielt sie sich rechts, fuhr an einer Reihe riesiger neuer Gebäude vorbei und landete schließlich wie gewünscht in einer Sackgasse. Am Straßenrand stand ein altes Holzschild mit der Aufschrift „Cluds Krabbenköder und Fangausrüstung“.
    Hinter dieser umständlichen Bezeichnung verbarg sich nichts weiter als eine kleine Holzbude sowie ein paar Krabbenkutter, die hinter dem Verkaufsstand am Kai lagen. Eine Hand voll kräftiger Burschen war gerade dabei, unter Geschrei und Gelächter einen großen Krabbentrawler zu entladen. Offenbar schenkten die Männer den drei Frauen, die in hochhackigen Schuhen und Sommerkleidern am Sperrholztresen der Krabbenbude standen, keinerlei Beachtung.
    Cara stöckelte um die Hütte herum, um die Bedienung zu suchen. Es war ein sonniger Nachmittag, und wohin man auch schaute, alles wirkte wie eine Postkarten-Idylle aus dem historischen Charleston mit einem ehemals charakteristischen Wirtschaftszweig der Stadt. Man hörte schrilles Möwengeschrei, das Schwappen der Wellen und ein dumpfes Rumpeln, wenn die Fischerboote gegen die Kaimauer stießen; dazu gesellte sich der Geruch von Krabben, Salz und Meer, der Cara scharf in die Nase stach. Sie trat näher an den Kai, um das Gewirr aus Masten und Takelagen besser betrachten zu können. Auf der Bordwand des Trawlers hockte ein breitschultriger Krabbenfischer. Er trug speckige Jeans, ein rotes T-Shirt und schwere, sonnengebleichte, farbverschmierte Stiefel. Die gebräunten, wettergegerbten Wangen waren unrasiert; das braune Haar fiel ihm, als er sich zum Fangnetz hinunterbeugte, fast bis über die Augen. Gerade wollte Cara umkehren, da wandte er den Kopf in ihre Richtung.
    Ach, du liebe Zeit! Der Mann aus dem Strandcafé! Cara wusste, er hatte sie bemerkt, sogar erkannt, denn gleich darauf verzog sich sein Gesicht zu einem verschmitzten, schalkhaften Lächeln.
    Abrupt fuhr Cara herum. Möwengeschrei gellte ihr wie Hohn und Spott in den Ohren. „Der hat mir gerade noch gefehlt“, brummte sie unwirsch, machte auf dem Absatz kehrt und eilte zurück zum Verkaufsstand, wo ihre Mutter und Toy bereits die Krabben in Empfang nahmen.
    „Fertig?“ Cara hatte es

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