Nur dieser eine Sommer
plötzlich eilig und zückte ihre Geldbörse.
„Mit deiner Kreditkarte kommst du hier nicht weit“, meinte ihre Mutter skeptisch.
Cara zog ein paar Dollarscheine hervor und legte sie auf den Tresen. Lovie hingegen kramte aufreizend bedächtig in ihrem Portemonnaie herum und zählte den Betrag Münze für Münze in Kleingeld einzeln auf die Theke, während Cara einen nervösen Blick in Richtung Trawler warf. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der breitschultrige Typ gemessenen Schrittes auf die Verkaufsbude zulief.
Schnell griff sie in ihre Börse, gab dem Verkäufer einen Dollarschein als Trinkgeld, hakte dann ihre Mutter unter und trat hastig den Rückzug an. Toy trottete hinterher.
„Was sollte denn dieser plötzliche Aufbruch?“ erkundigte sich Lovie und legte den Sicherheitsgurt an, während Cara mit Vollgas vom Parkplatz fegte, dass der Kies nur so aufspritzte. „Das verstehe einer!“
„Wir dürfen Palmer nicht warten lassen.“
„Wie bitte? Ja, ist es denn die Möglichkeit? Auf die Minute pünktlich zu erscheinen gilt als unhöflich! Jetzt nimm endlich den Fuß vom Gas, Cara, und benimm dich etwas damenhafter!“
Palmer Rutledge stand auf seiner Motorjacht. Mit der einen Hand hielt er das Steuerrad, in der anderen eine Bierdose, was ihn nicht daran hinderte, seine Gäste mit schwungvoller Geste auf die neuen, teuren Anwesen hinzuweisen, die sich entlang des Intracoastal Waterway erstreckten. Lovie und Toy saßen Seite an Seite unter einem Sonnensegel, wohingegen Cara sich im Bootsheck niedergelassen hatte und die Sonne genoss. Es war eine lustige, sonnige, spritzige Fahrt, bei der Palmer als Skipper alle Register zog. Cara machte es sich in ihrem Liegestuhl bequem, hielt ihre Baseballmütze fest, damit sie im Fahrtwind nicht davonflog, und hörte lächelnd und nickend den Kommentaren ihres Bruders zu.
In Caras Erinnerung hatten sich früher weit weniger Häuser und Bootsanleger an den Ufern dieser verschlungenen Wasserstraße befunden. Auch erheblich weniger Boote waren unterwegs gewesen als jetzt. Als Kinder hatten Cara und ihre Freunde vom Steg ins Wasser springen und quer durch den Waterway zu einem bewaldeten Inselchen schwimmen können, wo man ausruhte und wieder zu Atem kam, bevor es dann zurückging. Wäre man heute auf die Idee verfallen, etwas Derartiges zu versuchen, hätte man ebenso gut auf allen vieren über eine zweispurige Schnellstraße krabbeln können. So gefährlich war es mittlerweile. Eine Jacht nach der anderen rauschte vorbei, sodass Palmers Boot in den Bug- und Heckwellen auf und nieder wippte. Doch auf allen Booten herrschte gute Laune; man winkte und lachte sich zu.
Trotz aller Schönheit der Häuser und Marschen hatte Cara jedoch mehr Lust, sich einfach nur zurückzulehnen und ihrem Bruder zuzuschauen, der sichtlich in seinem Element war. Palmer konnte man als waschechten Jungen aus der Region, als „Lowcountry Boy“, bezeichnen, der jeden Quadratzentimeter Boden und jeden Tropfen Wasser liebte, aus dem dieses besondere Fleckchen Erde bestand.
Schon als Junge war er ein ruheloser Geist gewesen und ständig mit hungrigem Blick umhergestreift, weswegen ihn seine Mutter „Palmer der Panter“ genannt hatte. Nun war auch er unübersehbar in die Jahre gekommen; der Bauchansatz über dem Bund seiner Bermudashorts und seine deutlich gerundeten Wangen zeugten von einem guten Leben – und von einer Schwäche für Süßigkeiten und Gegrilltes.
„Möchtest du etwas trinken, Tante Caretta?“
Cara wandte den Kopf. Neben ihr stand Linnea, adrett wie eine kleine Lady, und servierte ihr, breitbeinig und angestrengt das Gleichgewicht haltend, ein kaltes Getränk.
„Aber sicher! Danke, Darling!“ Cara nahm das Glas entgegen. „So eine niedliche, entzückende Gastgeberin wie du ist mir ja noch nie begegnet! Ganz toll, wie du das machst. Palmer, guck mal, wie prima deine Tochter das kann! Verschüttet keinen Tropfen! Bewegt sich bei diesem Geschaukel wie eine Ballerina!“
„Eher wie ’n angetörnter Matrose!“
„Daddy!“
rief Linnea empört aus.
„Kleiner Jux, Mäuschen! Du weißt doch, du bist Daddys Prinzessin!“
„Mama hat gesagt, ich soll mich um die Gäste kümmern“, erklärte die Kleine mit rührendem Ernst. „Sie ist nämlich zu Hause geblieben und bereitet das Essen zu. Willst du sonst noch was? Oder Oma Lovie? Oma, etwas Kaltes?“
Linnea erledigte ihre Aufgabe mit Eifer und Begeisterung, hangelte sich von Sitz zu Sitz, von Knie zu Knie, hielt sich
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