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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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an allem Möglichen fest, um bei dem ständigen Auf und Ab nicht über Bord zu gehen.
    Cooper hingegen interessierte sich ausschließlich für die seemännische Seite. Klein, aber stämmig stand er stocksteif neben dem Vater und verfolgte, den Blick der runden, dunklen Augen auf die Hebel und Anzeigen gerichtet, jeden einzelnen Handgriff. Leider war sein Vater zu sehr damit beschäftigt, über das Motorengedröhn hinweg den Fremdenführer zu spielen. Den Jungen beachtete er nicht.
    „Lässt du mich auch mal lenken, Daddy? Bitte!“ Mittlerweile fragte der Kleine zum zehnten Mal.
    Palmer verscheuchte ihn. „Mensch, Cooper, jetzt setz dich mal ’n bisschen zu Oma rüber!“
    Cooper schmollte zwar, gehorchte aber und verzog sich steifbeinig in den Schatten des Sonnensegels, wo er sich griesgrämig neben Toy und Lovie hinhockte. Eine Zeit lang rutschte der Knirps unruhig auf seinem Sitz herum, schlich sich dann aber, wie Cara amüsiert beobachtete, verstohlen wieder zum Cockpit zurück und schaute seinen Vater mit flehenden braunen Augen an. Er bot einen komischen und zugleich traurigen Anblick. Cara fiel ein, dass Palmer früher von seinem Vater auf die genau gleiche Art und Weise behandelt worden war. Auch der hatte den Sohn dauernd abgewehrt. Palmer, Palmer, dachte sie, pass bloß auf!
    Die rote Sonne ging schon am Horizont unter, als man wieder Kurs auf Charleston nahm. Das Wasser schimmerte rosa im Abendlicht. Mit dröhnendem Triebwerk und mächtig schäumender Heckwelle pflügte das Boot durch die Wellen und lief in den Hafen ein.
    „Guck mal, Tante Cara!“ rief Linnea aus und zeigte auf eine kleine Insel mitten in der Hafeneinfahrt. „Da drüben liegt Fort Sumter!“
    Cara, die diesen geschichtsträchtigen Ort früher viele Male besucht hatte, nickte.
    Linnea kam etwas näher und versuchte, ihre Tante in ein Gespräch zu verwickeln. „Wusstest du schon, Tante Cara, dass der erste Kanonenschuss des Kriegs zwischen den Bundesstaaten genau auf Fort Sumter abgefeuert wurde?“
    Cara öffnete den Mund, war aber sprachlos vor Staunen.
    Palmer brach in schallendes Gelächter aus. „Sie hält dich für ’n Yankee!“ brüllte er. „Das hast du nun davon, dass du da oben im Norden lebst!“
    Lovie lächelte nur und wiegte bedächtig den Kopf.
    „Mäuschen“, prustete Palmer, „wenn deine Tante Cara ’n Yankee ist, dann bin ich auch einer.“
    Verblüfft schaute die Kleine ihren Vater an. „Aber sie wohnt doch in Chicago!“
    „Tut sie auch, Darling. Aber sie ist hier in Charleston geboren und aufgewachsen. Genau wie du!“
    Linnea drehte sich um und musterte Cara nachdenklich. Im Blick der Kleinen mischten sich Verwunderung und Argwohn, als könne das Kind sich nicht recht entscheiden, ob sie ihre Tante dafür, dass sie offenbar den Verstand verloren und das Lowcountry verlassen hatte, nun eigentlich rügen oder bemitleiden sollte.
    Cara war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass sie in der Familie eine Art Sonderstellung innehatte. Sie galt als jemand, der ins Exil gegangen und in Regionen geflohen war, die heißblütigen Südstaatlern kalt und fremd erscheinen mussten. Man betrachtete sie als jemanden, der sich lediglich zu Pflichtbesuchen herbemühte, sich fremdartig kleidete und lieber in einem Hotel abstieg, statt bei den Angehörigen zu übernachten.
    „Keine Sorge, Linnea“, versicherte Cara und verzog das Gesicht. „Das kannst du ja nicht wissen. Ich bin lange vor dem
Bügerkrieg
von daheim fortgegangen.“ Mit Bedacht wählte sie den nur von Yankees benutzten Ausdruck „Bürgerkrieg“, um ihren Bruder zu ärgern.
    Palmer reagierte prompt auf den Seitenhieb seiner Schwester. „Mach nur so weiter mit deiner Geschichtsklitterung, Schwesterherz“, nuschelte er gedehnt. Cara konnte sich gut vorstellen, dass seine Augen dabei blitzten, auch wenn sie von den dunklen Gläsern der Sonnenbrille verborgen wurden. „Aber ich werde immer dein älterer Bruder, Mamas Liebling und überhaupt in jeder Hinsicht der Bessere sein.“
    Cara ließ die Retourkutsche gutmütig über sich ergehen, denn sie ahnte, dass dies erst der Auftakt zu dem war, was mit Sicherheit noch folgen würde. Es gehörte zu Palmers Angewohnheiten, heikle Themen ins Spaßige zu ziehen. Nach der Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse taute Linnea zusehends auf und setzte sich, sowohl aus Neugier als auch aus Zuneigung, neben ihre Tante. Cara spürte, wie der schmächtige Körper des Mädchens gegen den ihren gedrückt wurde,

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