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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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körperlich weh. Diese bemitleidenswerte Person, die da am Tisch hockte, war ihre Mutter, die im Strandhaus wie ein völlig anderer Mensch gewirkt hatte! Ging es um ihre Mutter, dann fielen Cara normalerweise Charaktermerkmale wie „unschlüssig“ oder gar „unterwürfig“ ein. Beim Dinner im Familienkreis hatte Olivia Rutledge stets wortlos und aufmerksam an eben diesem langen, polierten Tisch gesessen oder war stumm zwischen Küche und Esszimmer hin- und hergehuscht, um das Essen aufzutragen. Nur wenn sie gefragt worden war, hatte sie sich am Gespräch beteiligt. Dabei waren oft Dinge verhandelt worden, die im Grunde niemanden interessierten und die jeder schnell vergaß. Und nie hatte sie ihrem Mann widersprochen, selbst dann nicht, wenn er sie verbal aufs Bösartigste attackierte. Für Cara und ihren Vater waren Diskussionen dazu da, um sich gegenseitig die Argumente wie Salven um die Ohren zu feuern. Es kam darauf an, dass einer schließlich siegte. Ihrer Mutter und ihrem Bruder war nichts anderes übrig geblieben, als vor dem verbalen Kugelhagel in Deckung zu gehen. Damals hatten sie Caras Verhalten als Charakterstärke ausgelegt. Dass es für Cara auch ein Kampf ums Überleben gewesen war, ihrem Vater Paroli zu bieten, das hatten sie hingegen nicht erkannt.
    Die Reste einer fast erkalteten, uralten Wut glommen in ihrer Brust auf, als sie ihrem Bruder ins Gesicht schaute. „Lassen wir die Vergangenheit ruhen!“
    Palmer ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. „Leider reichen aber die Nachwirkungen der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein“, wandte er ein. Mit einem Schlage schien er wieder nüchtern zu sein. „Vielleicht gestattest du, dass ich dich über das, was sich während deiner Abwesenheit hier zugetragen hat, ins Bild setze!“
    Lovie versuchte, ihn zu beschwichtigen. „Palmer …“
    „Moment mal, Mama! Offensichtlich hat unsere Cara nicht den geringsten Schimmer, wie die Dinge hier stehen. Wir sollten aber nichts unter den Teppich kehren. Ich möchte, dass sie es weiß.“
    „Das ich was weiß?“ fragte Cara. „Lange vor Daddys Tod war uns doch allen klar, dass er dir das Unternehmen überträgt! Erstgeburtsrecht hin oder her – in diesem Fall war das völlig in Ordnung. Ich wollte die Firma nicht, und du hattest sie verdient. Schließlich warst du derjenige, der viel Arbeit in die Firma investiert hatte und sich zudem mit vielem hast abfinden müssen. Ich hab’s dir von ganzem Herzen gegönnt.“
    Palmer reagierte mit einem leichten Kopfnicken. „Nur war das noch nicht alles, was er mir hinterließ. Wenn du bis zur Testamentseröffnung geblieben wärst, wüsstest du es.“
    „Fang jetzt bloß nicht damit an“, bat sie ihn.
    „Ich wollte dich nur darüber informieren, dass er mir den Löwenanteil seines Vermögens vererbt hat.“
    Cara sah zu Lovie hinüber, als erwarte sie eine Bestätigung. Es ekelte sie an, dass ihr Vater seiner Frau auch das zum Schluss noch angetan hatte. „Und unsere Mutter bekam noch nicht einmal die Hälfte? Aber Mama! Ursprünglich war’s doch eigentlich dein Geld!“
    Palmer antwortete. „Als er starb, lief alles auf seinen Namen. Selbst das Haus.“
    „Nein“, keuchte Cara. Ungläubig und mit versteinerter Miene guckte sie wieder ihre Mutter an. Lovie blickte auf ihre Hände. Wieso hat sie sich nicht gewehrt, sondern sich alles von ihm nehmen lassen, wunderte sich Cara. Plötzlich begriff sie die Bedeutung der mysteriösen Anspielungen, die Palmer bezüglich des Hauses gemacht hatte. Heftig fuhr sie herum und herrschte ihren Bruder laut an: „Du hast Mama das Haus weggenommen?“
    Palmers Züge verzerrten sich vor Wut. „Nein, zum Teufel! Für wen hältst du mich eigentlich? Natürlich hab ich’s ihr nicht weggenommen! Der Dreckskerl hat’s mir vererbt, um Mama zu ärgern! Ich hab ja versucht, es ihr zurückzugeben!“ Hilfe suchend wandte er sich an Lovie. „Stimmt doch, oder?“
    Lovie hatte Tränen in den Augen, als sie nickte.
    Cara verstand kein Wort mehr. „Kapier ich nicht.“
    Palmer setzte erneut an. „Er …“
    „Lass mich erklären“, unterbrach Lovie mit leiser, aber fester Stimme. „Ich wollte das Haus nicht. Ich hab’s Palmer geschenkt, mit allem Drum und Dran.“ Sie betrachtete Cara. „Du hast doch nie Interesse gehabt, etwas zu erben. Daran hast du über die Jahre nie den Hauch eines Zweifels gelassen. Palmer hingegen wollte das Haus, wollte es für sich und Julia und die Kinder. Die ganze Zeit schon hatten sie

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