Nur dieser eine Sommer
Atmosphäre erzeugten. Cara machte es sich in den dicken Sofapolstern bequem, winkelte ihre langen, schlanken Beine unter dem Körper an und kuschelte sich wie eine Katze in die Couchecke. Aufmerksam und argwöhnisch betrachtete sie ihre Mutter. Lovie ließ sich ihr gegenüber im Sessel nieder, sank tief in die Kissen, spürte plötzlich, wie todmüde sie war, und gähnte.
„Willst du’s nicht lieber auf morgen verschieben?“ fragte Cara. „Es ist kurz vor elf!“
„Nein, nein, jetzt hab ich mich innerlich darauf eingestellt.“
„Du hättest es mir sagen sollen“, bemerkte Cara, nachdem ihre Mutter sich zurückgelehnt hatte.
Typisch Cara, dachte Lovie; meine Tochter macht keine langen Umschweife. „Du hast Recht. Ich wollte dich informieren. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass das Thema an diesem Abend angesprochen werden würde.“
„Palmer glaubt, ich wäre nur zurückgekehrt, um den Familienschatz einzusacken.“
„Er ist ein braver Junge. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn in den vergangenen Jahren zurechtgekommen wäre. Allerdings sollte er ein bisschen mehr auf sein Gewicht achten. Er isst zu viel. Zum Teil trage ich dafür die Schuld. Ich hab ihm immer so viel gegeben, wie ich nur konnte, denn Stratton … na, du erinnerst dich ja an deinen Vater! Für dich als seine Tochter war’s schon schlimm genug, aber als Sohn hatte Palmer es doppelt schwer.“
„Mama, darüber bin ich mir im Klaren. Aber mein Bruder ist zu streng zu dir. Wieso lässt du dir das bieten?“ Sie machte eine verzweifelte Handbewegung. „Das mit Daddy, okay, das war halt so. Aber Palmer ist dein Sohn! Möchtest du denn nie Herrin deines Schicksals sein? Willst du nicht wissen, wo dein eigenes Geld ist?“
„Wo mein Geld ist?“ Lovie wirkte erstaunt. „Das interessiert mich nicht. Hat es noch nie getan. Geld bedeutet nichts als Stress und Kopfschmerzen. Finanzen, Rechnungen und so weiter waren bis zu seinem Tod stets Sache deines Vaters. Jetzt regelt das Palmer für mich.“
„Du siehst ja, was dein Vertrauen dir eingebracht hat!“
„Palmer ist ein guter Junge. Die ganze Zeit hat er sich um mich gekümmert, während du fort warst. Das soll kein Vorwurf an dich sein. Ich möchte ihn nur verteidigen.“
„Der liebe, liebe Palmer …“
„Cara …“
„Das war doch schon immer das Kernproblem, oder? Du hast stets für Palmer Partei ergriffen und dich gegen mich gestellt.“
„Ich ergreife für niemanden Partei.“
„Und ob du das tust! Du merkst es nur nicht. Dein ganzes Leben lang geht das schon so, und es treibt mich die Wände hoch! Immer überlässt du anderen die Entscheidung. Ich ertrage es nicht länger, dass du ständig vor den Männern in deinem Leben kuschst. Warum wehrst du dich nicht?“
„ So wie du? Das ist eben nicht meine Art. In dieser Hinsicht ähnelst du deinem Vater.“
Cara erstarrte, als habe sie einen Schlag ins Gesicht bekommen. „Ich habe nichts mit ihm gemeinsam!“
Die heftige Reaktion überraschte Lovie. „Trifft dich meine Bemerkung so sehr? Ich bin immer davon ausgegangen, du würdest lieber wie er als wie ich sein!“
„Ich möchte mit niemandem verglichen werden. Vor allem nicht mit ihm!“
„Tja …“, murmelte Lovie verwirrt, „dann umso besser! Das meine ich durchaus nicht sarkastisch, sondern ehrlich. Ich wollte, ich hätte in deinem Alter auch solches Rückgrat bewiesen!“
„Das wäre auch besser gewesen!“
Lovie schloss die Augen.
„Tut mir Leid, Mama“, sagte Cara nach kurzem Zögern, wobei man ihr anmerkte, wie sehr sie ihre Äußerung bedauerte. „Du weißt doch, wie er war! Du hast ihn geliebt, das ist mir klar. Nur habe ich nie begriffen, wie das genug sein konnte, um sich dafür jahrelang von ihm schikanieren zu lassen.“
„Das würdest du doch nicht verstehen“, flüsterte Lovie gequält.
„Warum nicht? Ich bin schließlich kein Kind mehr! Du hast ihn geliebt, oder?“ Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und kniff die Augen zusammen. Doch dann brach es unter Tränen aus ihr heraus: „Ich habe ihn gehasst, diesen Dreckskerl!“
Lovie schwieg eine Weile, bevor sie gleichmütig antwortete: „Tja, ich auch.“
Cara ließ den Arm sinken. Ihr Kopf fuhr hoch. Wortlos starrte sie ihre Mutter an. Plötzlich wandte sie den Kopf zur Seite und blickte aus dem Fenster.
Stumm betrachtete Lovie das Profil ihrer Tochter. Mit der stolzen, geraden Nase, den hohen Wangenknochen, den vollen Lippen ähnelte sie dem Vater, den sie zu
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