Nur dieser eine Sommer
lachte sie noch einmal laut und fügte hinzu: „Na, jedenfalls jetzt nicht mehr!“
Caras Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, auch wenn es etwas ungelenk ausfiel.
„Spaß beiseite“, meinte sie dann. „In meinen Augen ist ein Frau noch lange keine Beißzange, nur weil sie sich nicht misshandeln oder schikanieren lässt. Im Gegenteil – sie verfügt über Selbstachtung.“
„Soll das heißen, dass Ihr Daddy gegenüber Miss Lovie handgreiflich geworden ist?“
Caras Lächeln erlosch. „Ich möchte damit nur sagen, dass es keine Entschuldigung gibt, wenn ein Mann gegen eine Frau die Hand erhebt. Nicht die geringste. Basta! Doch noch schlimmer können einen Worte verletzen. Verbalattacken sind noch tückischer, weil man die Narben, die sie hinterlassen, nicht sieht. Und glaub ja nicht, mein Vater hätte seine verbalen Salven nicht gezielt abgefeuert! Meine Jugend spielte sich gleichsam auf einem Kriegsschauplatz ab. Irgendwann bekam jeder von uns eine Kugel verpasst. Doch ich habe die Flucht ergriffen. Meine Mutter blieb. Ich schwöre dir, ich begreife bis heute nicht, wie sie das die ganze Zeit ausgehalten hat.“
„Sie muss ihn sehr geliebt haben.“ Aber irgendwie glaubte Toy das selbst nicht.
Cara musterte Toy durchdringend. „Dann wär’s doch nur umso schlimmer, oder?“
Mit gesenktem Kopf schabte Toy erneut an ihrem Fingernagel herum. „Was soll man denn tun, wenn man jemanden so sehr liebt!“
„Man kann sehr wohl etwas machen! Man hat immer die Wahl!“
Toy spürte, wie sich ihre Wangen vor Scham und Zorn rosa färbten. Wenn sie so etwas schon hörte! Glaubte etwa alle Welt, sie ticke nicht mehr richtig? Ihre Freundinnen hatten ebenfalls dauernd gefragt: Wieso lässt du dich von deinem Darryl schikanieren, herumschubsen und vor allen beleidigen? Warum schießt du den Kerl nicht in den Wind? Es ging einfach nicht, und sie kam sich ziemlich dumm vor, weil sie’s wider besseres Wissen nicht hinkriegte. Alle wollten ihr nur helfen, gewiss. Auch Cara, klar. Im Endeffekt jedoch vermittelten einem alle nur das Gefühl, man sei nicht gut genug.
„Sie haben gut reden! Sie stecken ja nicht in meiner Haut! Sicher, Sie hatten auch Ihre Probleme, aber immerhin waren Sie reich! Sie haben eine gute Schule besucht, und Ihnen standen Türen offen, die einem Mädchen wie mir immer verschlossen bleiben. Für Sie gab es immer einen Ausweg. Ich hab mir Sachen anhören müssen, die ’ne ganze Ecke schlimmer waren als das Gerede von Ihrem Bruder. Ich muss so etwas einstecken, weil ich keine andere Wahl habe. Sie kommen sich ganz toll vor mit Ihrem College-Abschluss und dem wichtigen Job. Dabei haben Sie kein Ahnung!“
„Man braucht weder viel Intelligenz noch Geld, um zu erkennen, dass es mit Liebe nichts zu tun hat, wenn man sich als Frau von einem Mann demütigen oder halb zu Tode prügeln lässt. So etwas nennt man Misshandlung! Da will irgendein Kerl nur sein Machtgelüste an einer Frau austoben!“
Toy geriet sichtlich in Rage und reckte streitsüchtig das Kinn. „So einer ist Darryl nicht! Er behandelt mich richtig gut! Das mit dem Schlagen ist ihm nur ein einziges Mal passiert, und es hat ihm furchtbar Leid getan!“
„Hinterher bedauern sie es immer! Aber dann tun sie’s doch wieder.“
Toy kämpfte mit den Tränen und fühlte sich in die Ecke gedrängt. „Nein!“ Das kam fast wie ein Schrei. „Unterstehen Sie sich, so über ihn zu reden! Er hat mit Ihrem Vater nichts gemeinsam. Ich liebe ihn. Wir werden eine Familie sein! Ich überlege sogar, ob ich ihn nicht heute anrufen soll!“ Sie stieß ihren Stuhl zurück, kam unbeholfen auf die Beine und stampfte zornentbrannt aus dem Zimmer, hinaus auf die Veranda.
Toys Flucht rief Schuldgefühle bei Cara hervor. Sie hatte das Mädchen nur warnen wollen und nicht beabsichtigt, es zu verletzen. Jetzt regte sich ihr schlechtes Gewissen. Doch sie erinnerte sich daran, dass sie in der Firma eine ganze Reihe von Kolleginnen gekannt hatte, die mit Schrammen und Hämatomen zum Dienst erschienen waren. Weil sich die Situation über kurz oder lang negativ auf die Arbeitsergebnisse ausgewirkt hätte, war Cara gezwungen gewesen einzugreifen und hatte den Frauen nahe gelegt, eine Beratungsstelle aufzusuchen, wenn sie nicht eines Tages ihren Job verlieren wollten. Als schwierigste Aufgabe hatte es sich immer erwiesen, die Frauen davon zu überzeugen, dass sie keine Schuld an ihren Misshandlungen trugen.
Nachdenklich kratzte Cara sich am Kopf und
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