Nur dieser eine Sommer
hatte sich stark verändert. Ihr Bauch ragte allmählich gewaltig nach vorn. Die Brüste waren enorm groß geworden, was Darryl sicher gefallen hätte. Sie lächelte bei dem Gedanken, doch besann sich schnell eines Besseren.
Am Vorabend hatte sie im Hause Rutledge im Wohnzimmer gesessen, während die anderen sich im Esszimmer endlos lange unterhielten. Das Ganze hatte ihr von Anfang an nicht zugesagt: der Besuch an sich, das Haus, die Warterei, und dann musste sie auch noch so tun, als hörte sie nichts. Dabei hatte sie so ziemlich alles mitbekommen, auch wie dieser Palmer, dieser aufgeblasene Fettmops, über sie hergezogen war.
Cara hatte sich für sie eingesetzt und ihrem Bruder gehörig den Marsch geblasen. Selbst jetzt noch wunderte sich Toy darüber. Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet Cara, dieser Eisberg!
Die ganze Nacht hatte Toy sich mit dem Gedanken herumgeschlagen, ob sie nicht lieber zu Darryl zurückkehren sollte. Sie hatte auch von ihm geträumt, von seinem netten Lächeln, seiner fürsorglichen Art.
Nie hätte Darryl zugelassen, dass jemand sich so über sie äußerte wie Palmer Rutledge. Das indes war nicht der einzige Grund dafür, die Rückkehr zu Darryl in Erwägung zu ziehen. Es tat ihr vielmehr in der Seele weh, dass Lovie sie vor ihrem Filius nicht in Schutz genommen hatte. Schließlich waren ihm Sachen herausgerutscht, die schlichtweg nicht stimmten und eine Beleidigung darstellten. Glaubte er etwa, sie würde klauen, nur weil sie arm war? Viele von diesen Geldsäcken gingen einfach davon aus, dass arme Schlucker den Unterschied zwischen Recht und Unrecht nicht kannten. Als ob sie Miss Lovie hätte bestehlen können! Vielmehr hatte Palmers Gerede so geklungen, als wolle er selbst seiner Mutter etwas wegnehmen, als habe er vor, sich etwas unter den Nagel zu reißen, was ihm nicht gehörte, und zwar aus nackter Geldgier. Tiefer konnte man beim besten Willen nicht sinken, egal, ob man arm oder reich war. Dabei hatte der Kerl doch schon genug abgestaubt. Menschenskinder! Hätte man ihr ein solches Haus geschenkt – sie wäre für den Rest ihres Lebens aus dem Schneider gewesen!
Nicht, dass jemand je auf den Gedanken verfallen wäre, ihr so ein Geschenk zu machen. Leute aus Toys Schichten wohnten nicht in solchen Häusern. Und Toy hätte den Kasten ohnehin nicht haben wollen. Was sie sich vielmehr vorstellte, das war eine sonnige, nette, saubere Bleibe, die sie so ausstaffieren konnte, wie Lovie es ihr beigebracht hatte, mit hübscher Tischwäsche und passendem Geschirr und Spitzenstores vor den Fenstern. Ein glückliches Heim hätte sie daraus gezaubert, ein Zuhause für das Kleine und für Darryl. Dafür hatte sie jetzt ein Händchen, und sie war sich ganz sicher, Darryl wollte, dass sie zu ihm zurückkehrte, sie und das Baby. Er brauchte eben nur eine Weile, um den Schock zu verkraften, das mit der Schwangerschaft und so. Mehr war’s nämlich nicht – er hatte sich gewaltig erschreckt. Ganz bestimmt hatte er sie nicht schlagen und ihr all die Gemeinheiten an den Kopf werfen wollen. Er war ein braver Bursche, und er liebte sie, das wusste sie genau. Und das Baby würde er auch gern haben, wenn er’s erst einmal gesehen hatte.
Und deshalb überlegte sie nun, ob sie ihn nicht vielleicht anrufen sollte, um einmal vorzufühlen, wie er zu ihrer möglichen Rückkehr stand. Auch wenn sie Miss Lovie genau das Gegenteil erzählt hatte.
All dies ging ihr durch den Kopf, während sie sich das Gesicht wusch und sich in eins ihrer sackförmigen Kleider zwängte. Unwirsch schnalzte sie mit der Zunge, weil eine Naht in Höhe der Hüfte schon aufgeplatzt war. Im Flur bemühte sie sich, den Reißverschluss am Rücken zu schließen, doch es gelang ihr nicht. Dann blieb sie stehen und hob schnuppernd die Nase. War das etwa Kaffeeduft, der ihr da entgegenwehte?
„Guten Morgen!“ Cara schaute auf, als Toy in ihr Blickfeld trat, und begrüßte sie mit einem Lächeln.
Vor Verblüffung brachte Toy keinen Ton hervor. Das war das erste Mal, dass sie Miss Caretta Rutledge vor elf Uhr morgens zu Gesicht bekam! Und dann auch noch in der Küche bei Kaffee und Toast! Beinahe hätte Toy sich verwundert die Augen gerieben, doch dann fiel ihr der Lidstrich ein, den sie sich dabei wohl ruiniert hätte.
„Kaffee gefällig?“
„Äh … ja, gern! Danke!“
Ein vernehmliches „Plopp“ ertönte und zeigte an, dass der Toast fertig war. In Rekordzeit hatte Cara die Scheiben mit Butter bestrichen und auf zwei
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