Nur dieser eine Sommer
und zog ihn sacht wieder heraus, um dann an einer anderen Stelle fortzufahren, danach an der nächsten, immer wieder, bis die Umgebung der Brutgrube mit Dutzenden von Löchern übersät war. Nun ging ihr der Bewegungsablauf allmählich leicht von der Hand, und da, plötzlich, als sie es am wenigsten erwartete, fuhr der Stab tief in den Sand, so tief, dass Cara hastig stoppen musste, sonst wäre er zu weit eingedrungen.
Ein jähes Hochgefühl durchströmte sie. Sie schaute ihre Mutter an, um deren Reaktion zu sehen.
Lovie lächelte, wobei ihre Augen vor Stolz strahlten. „Glückwunsch! Jetzt hast du deine Feuertaufe im Schildkrötenteam bestanden!“ Hustend kämpfte sie sich hoch, klopfte sich auf die Brust und sagte heiser: „So, und nun die Ärmel aufgekrempelt!“ Sie griff nach dem roten Eimer und ließ sich auf die Knie nieder. „Die Brutgrube liegt unterhalb der Hochwasserlinie. Bei auflaufender Flut würde das Gelege mit Sicherheit vernichtet. Wir müssen es umbetten. Gucken wir mal nach, was wir hier haben.“
Mit den Händen schaufelte Lovie den Sand beiseite, wobei sie ihn jedes Mal sorgfältig durch die Finger rinnen ließ, um nicht unbeabsichtigt Eier mit fortzuwerfen. Cara beobachtete alles aufmerksam und fing dann gleichfalls an zu graben. Nach einer Weile kamen die Eier zum Vorschein. Cara lachte auf, als hätte sie soeben einen verborgenen Schatz entdeckt. Behutsam griff Lovie in das Nest, hob eine der Kugeln heraus und reichte diese vorsichtig, als wäre sie aus hauchdünnem Glas, an Cara weiter.
Cara nahm das Ei in die ausgestreckte Hand, umschloss es dann sacht mit den Fingern und betrachtete es. „Haargenau wie ein Tischtennisball! Nur weicher und etwas lederartig.“
„Wir können das Gelege nur innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden umbetten. Dabei dürfen wir die Eier aber nicht anstoßen oder drehen, damit sich der Embryo nicht von der Schale löst.“ Lovie nahm das Ei wieder an sich und ließ es, mit der ursprünglichen Seite nach oben, in den bewährten roten Eimer gleiten.
Eine Kugel nach der anderen wurde herausgeholt und behutsam in den feuchten Sand im Eimer gelegt, der als Übergangsnest diente. Danach transportierten die beiden Frauen sie zu einem vorher festgelegten Platz oberhalb der Hochwasserlinie, an dem die Eier vor Überflutung durch Salzwasser sicher waren. Cara ging dort in die Hocke und buddelte mit einer Muschel ein etwa armtiefes Loch in den Sand, das sie dann zu einer birnenförmigen Kammer aushöhlte, um ein Schildkrötennest zu imitieren. Gedankenverloren saß Lovie daneben und verfolgte jede Bewegung. Nach Fertigstellung der Grube verstaute Cara feierlich sämtliche 104 Eier darin, und zwar mit der richtigen Seite nach oben.
„Weißt du was?“ fragte Cara und drehte sich, während sie in den Eimer griff, zu ihrer Mutter um.
Lovie schaute ihre Tochter an. Gerade brach die Sonne durch das Wolkengrau und tauchte Cara, die über das ganze Gesicht strahlte, in ein rosarotes Licht. „Was denn?“
„Das macht ja richtig Spaß! Hat man da Töne?“
Mit angespannter, konzentrierter Miene legte Cara die Eier ins Nest. Lovie erinnerte sich an die Zeit, als Cara noch ein kleines Mädchen gewesen war und mit Palmer Sandburgen gebaut hatte. Damals hatte derselbe Ausdruck auf ihrem Gesicht gelegen.
Danke, lieber Gott
, flüsterte sie innig.
Danke für die Gelegenheit, einmal noch mit meinem Kind spielen zu dürfen!
Sobald es hell wurde, brach vor Caras Fenster ein Höllenspektakel los. Unablässig zwitscherte und tirilierte eine muntere Vogelschar, zuverlässiger als jeder Wecker.
„Schon gut, schon gut“, murrte Cara und richtete sich widerwillig auf, gähnte vernehmlich und schwang sich aus dem Bett. Im Grunde war’s ihr recht, von den gefiederten Krachmachern geweckt zu werden, denn sie hatte die Aufgabe, den ihr zugewiesenen Strandabschnitt nach Schildkrötenspuren abzusuchen. Geräuschlos streifte sie ihre Shorts sowie das T-Shirt mit dem „Turtle Team“-Logo über und schnürte ihre Laufschuhe zu. Im Haus war es vollkommen still; Lovie und Toy schliefen noch. Cara trat hinaus in die kühle Morgenluft, reckte sich, holte tief Luft und trabte Richtung Strand.
Der unberührte Sand war glatt und fest, seine schimmernde Oberfläche durchbrochen von winzigen Krabbenlöchern und übersät von Muscheln. Während sie so ihren Strandbereich entlangjoggte, ließ Cara ihren Blick vom Ufer zum Horizont schweifen. Gerade stießen die Sonnenstrahlen wie
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