Nur Du hast den Schlüssel
Finger rann. Er hatte den Einkaufswagen nicht, nicht die Tüten, aber ... vielleicht file:///G|/Books/1/schlüssel.htm (109 von 137) [16.06.2001 17:44:09]
Nur du hast den Schlüssel
konnte er sich einfach erinnern, wie es sich anfühlte ...
»Wir haben Zeit«, sagte er.
»Bist du wahnsinnige« schrie Kirsty.
»Kommt ihr mit oder nicht?« fragte Johnny.
»Wohin?«
Johnny nahm ihre Hand und streckte die andere Hand nach Yo-less aus.
Dann nickte er zu Tom hinüber, der immer noch in die Flammen starrte.
»Nehmt ihn auch mit«, sagte er. »Wir werden ihn brauchen, wenn wir dorthin kommen.«
»Wohin?«
Johnny versuchte zu grinsen.
»Vertraut mir«, sagte er. »Irgend jemand muß es ja tun.«
Er setzte sich in Bewegung. Tom ließ sich mitziehen wie ein Schlafwandler.
»Schneller«, sagte Johnny. »Oder wir kommen nie
hin.«
»Hör mal, die Bomben sind doch schon gefallen«, meinte Kirsty müde. »Es ist passiert.«
»Genau. Es mußte passieren«, sagte Johnny. »Sonst hätten wir nicht hinkommen können, bevor es passierte.
Schneller. Lauft.«
Er drängte vor, zog sie mit sich.
»Wir können da drüben vielleicht helfen«, keuchte Yo-less. »Ich kenne mich mit Erster Hilfe aus.«
»Erste Hilfe?« sagte Kirsty. »Hast du die Explosionen gesehen?«
Neben ihr schien der junge Mann plötzlich aufzuwachen. Er starrte auf das Feuer in der Stadt und sprang vor-wärts. Und dann rannten sie alle, versuchten alle, Schritt zu halten, brachten alle die jeweils anderen dazu, noch schneller zu rennen.
Dort war die Straße, in dieser Richtung.
Johnny stürzte darauf zu.
Die dunkle Landschaft wurde heller, in Grautönen wie ein sehr alter Film. Der Himmel war nicht mehr schwarz, sondern hatte einen tintigen Violetten angenommen.
Und alles um sie herum sah kalt aus wie Kristall. Die Blätter und Büsche glitzerten, als wären sie von Eis überzogen.
Er spürte keine Kälte. Er spürte überhaupt nichts.
Johnny rannte. Die Straße unter seinen Füßen war
klebrig, als würde er in Sirup laufen. Und in der Luft hing das Geräusch, das er aus den Tü-
ten gehört hatte, ein gewaltiges, flüsterndes Rauschen wie eine Million schlecht eingestellter Radiosender. Neben ihm versuchte Yo-less, etwas zu sagen, brachte
aber keine Worte heraus. Statt dessen zeigte er mit der file:///G|/Books/1/schlüssel.htm (110 von 137) [16.06.2001 17:44:09]
Nur du hast den Schlüssel
freien Hand nach vorn. Blackbury lag vor ihnen. Es war nicht die Stadt, die sie aus dem Jahr 1996 kannten, und auch nicht die von 1941.
Sie glühte.
Johnny hatte nie Nordlichter gesehen. Aber er hatte davon gelesen. In dem Buch hatte gestanden, daß sich in sehr kalten Nächten das Licht manchmal vom Nordpol herabsenkte und in der Luft hing wie ein Vorhang aus er-starrtem, blauem Feuer.
So sah die Stadt aus. Sie schimmerte so kalt wie ein Stern in einer Winternacht.
Er wagte einen Blick zurück.
Der Himmel hinter ihm war rot, ein tiefdunkles Rot, das in der Mitte heller wurde.
Und er wußte, wenn er aufhörte zu laufen, wäre alles zu Ende. Die Straße würde wieder eine Straße sein, der Himmel der Himmel... aber wenn er nur weiter in diese Richtung rannte ...
Er zwang seine Beine, sich weiterzubewegen, trat wie in Zeitlupe durch die dicke, kalte, stille Luft. Die Stadt kam näher, leuchtete heller.
Jetzt zogen die anderen an seinen Armen. Auch Kirsty versuchte, ihm etwas zuzuschreien, aber es gab kein Geräusch außer diesem rauschenden Flüstern.
Er riß an ihren Fingern, versuchte, sich festzuklam-mern ...
Und dann kam das Blau auf ihn zugestürzt und stieß mit dem Rot zusammen, das aus der anderen Richtung vordrang, und er stürzte kopfüber auf die Straße.
Er hörte Kirsty sagen: »Ich bin von Eis überzogen!«
Johnny kam wieder auf die Beine und starrte seine Arme an. Eis knisterte und fiel von seinen Ärmeln, als er die Arme bewegte.
Yo-less sah bleich aus. Frost dampfte von seinem Gesicht.
»Was haben wir getan? Was haben wir nur getan?«
fragte Kirsty.
»Hört doch!« sagte Yo-less. »Hört doch!«
Im Dunkeln war ein Surren zu hören, und eine Uhr begann zu schlagen.
Johnny lauschte. Sie waren am Stadtrand. Die dunklen Straßen waren ruhig. Es war auch kein Feuer mehr zu sehen. Aus einem Pub in der Nähe hörte man gedämpftes Gelächter und das Klirren von Gläsern.
Die Uhr schlug weiter. Dann verklang der letzte Schlag.
Eine Katze schrie.
»Elf Uhr?« sagte Kirsty. »Aber wir haben es doch schon elf schlagen hören,
Weitere Kostenlose Bücher